Nach einer kurzen Nacht steht unser Nachbar Ruedi punktlich um Halbfünf mit seinem Auto bereit, um uns an den Flughafen zu bringen.
Wir wissen diesen nicht selbstverständlichen Freundschaftsdienst sehr zu schätzen. Um Fünf herrscht schon reger Betrieb am Check-in.
Diesen können wir dank gestriger Gepäckabgabe auslassen und uns gleich zur Sicherheitskontrolle begeben. In zehn Minuten sind wir
durch und laufen durch die Gänge zum Gate A84 wo wir die nächste Stunde rumsitzen. Um Sechs können wir in den gute gebuchten
Flieger der Edeweiss einsteigen. Um Halbsieben geht es endlich los. Die dreineinhalb Stunden sind schnell vorbei. Am Ostende drehen
wir zwei Ehrenrunden bis uns eine Landefenster zugeteilt wird. Die Landung ist sanft. In angenehmer Wärme überqueren wir zu Fuss
den Landebereich und warten im Gebäude auf unser Gepäck. Das Telefon klingelt und unser Mietwagenfahrer meldet sich von draussen.
Um Zehn übernehmen wir das Auto und erledigen die Formalitäten. Kaution ist keine zu hinterlegen. Den Mietpreis von 440 Euro
bezahlen wir gleich mit Kreditkarte. Rückgabeformalitäten gibt es keine. Wir sollen den Wagen einfach mit dem Schlüssel im
Handschuhfach im Parkareal deponieren. So unkompliziert habe ich das noch nie erlebt.
Wir fahren um das östliche Ende von Madeira um zu unserem Ziel in Ponta Delgada zu gelangen. Ponta Delgada liegt auf der
Nordseite der Insel gegenüber der südlich gelegenen Hauptstadt Funchal. Für die Übernahme des Steinhauses haben wir uns für
Ein Uhr Nachmittags angemeldet. So können wir unterwegs in Santana noch mit Lebensmitteln eindecken. Den Supermarkt dafür
haben wir bereits zu Hause ausgekundschaftet. Nach etwa zwanzig Minuten Fahrt auf der neuen mit etlichen Tunneln versehenen
Hauptstrasse sind wir am Markt. Er bietet alles was gebraucht wird. Mit uns decken sich auch noch etliche weitere Touristen
mit Essen ein. Mit Wanderschuhen und dreckigen Beinen versehen, scheinen sie entlang der Nevadas gewandert zu sein. Das haben
wir in den nächsten Tagen auch einige Male vor. Nach dem Einkauf und weiteren 25 Minuten Weg finden wir auf Anhieb das kleine
Steinhaus am Hang über dem Meer. Liliana erwartet uns bereits und führt uns kurz durch den rustikalen Steinbau der früher als
Stall und Speicher gedient hat. Heute sind darin im oberen Stock zwei Schlafzimmer und eine Stube untergebracht. Unten ist
das Badezimmer mit Küche und Abstellraum. Gegen Nordwesten liegt der überdachte Sitzplatz mit Feuerstelle und angrenzender
Wiese. Der Blick gegen das westliche Inselende und auf den Atlantik ist grandios. Dieser Fleck der Insel ist noch wenig vom
Turismus geprägt. Ringsum wird auf Steinterassen noch Landwirtschaft betrieben. Wir installieren uns und sehen, dass wir noch
einige Dinge benötigen um in den nächsten Tagen ohne weiteren Einkauf auszukommen.
So kurven wir die schmale Hauptstrasse zurück nach Santana und machen uns währenddessen Gedanken wo wir heute noch ans Meer
gelangen könnten und welche Wanderung wir morgen machen wollen. Das Meer erreichen wir auf dem Rückweg zum Steinhaus über
einen Umweg zum Hafen von Ponta Delgada. Dort befindet sich auch ein kleines Bad oberhalb des Hafens. An dem wirt noch etwas
gebastelt. Warscheinlich für die anstehende Hauptsaison. Unweit davon setzen wir uns in Lokal um uns einen Drink zu gönnen.
Ich ein alkholfeies Bier und Rita einen Aperol. Wir unterhalten uns mit dem Wirt. XXX ist portugiesischer Abstammung und in
Venezuela geboren. Er hat in den Staaten gelebt und auf Teneriffa ein Lokal betrieben. das selbe tut er nun hier. Wir unterhalten
uns etwas in Englisch.
Früh kochen wir unser Abendessen und besprechen nach dem Mal was wir morgen unternehmen wollen. Es soll eine einfache Wanderung
entlang der Levado do Rei zum Ribeiro Bonito sein. Levados sind Wasserkanäle welche aus den Tälern das Wasser auf die Sonnenhänge
leiten wo Landwirtschaft möglich ist. In der selben Art wird dies auch im Wallis seit Jahrhunderten praktiziert. Dort heissen die
Levados Suonen. Um Halbzehn liegen wir bereits im Bett, da wir zeitig aufstehen wollen um vor dem grossen Ansturm die Wanderung
geniessen zu können.
Wir haben gut geschlafen und brechen vor Acht Uhr zur Levado do Rei auf. Nach einer guten halben Stunde auf einer kurvige, neu
asphaltierte Strasse hinauf auf ein Plateau sind wir am Ausgangspunkt angelangt. Nur ein Fahrzeug steht schon auf dem Parkplatz.
Gleich daneben liegt der Kanal mit ruhig fliessendem Wasser. Die Natur mit ihrem Duft, dem üppigen Grün und den Blumen deren Namen
ich nicht kenne, nimmt mich sogleich gefangen. Auch Rita ist begeistert und versucht sich an all die lateinischen Bezeichnungen
der blühenden Pflanzen zu erinnern. Die südliche Lage der Insel ist an deren Vegetation gut zu erkennen. Ich fühle mich in die
Tropen teleportiert. Besonders die riesigen Farne gefallen mir. Ausser dem gelgentlichen Plätschern von Wasser und dem Zwitschern
der Vögel ist nichts zu hören. Kein menschengemachtes Geräusch stört den Kland der Umgebung.
Der Pfad entlang der Levada ist einfach zu begehen. Das Gefälle entspricht jenem des Kanals und ist sanft. Er windet sich entlang
der grösstenteils beinahe senkrecht in eine Schlucht abfallenden Bergflanke. Beinahe alles ist mit Seilen gesichert und so auch
für weniger geübte und schwindelfreie Wanderer begehbar. Unser Tempo ist gemächlich. Wir geniessen die Momente mit ihren Ausblicken
und den filigranen Details all der Farne und sonstigen Pflänzchen. Der lehmige Weg ist vielerorts matschig. Wir sind froh, unsere
stabilen, wasserdichten Wanderschuhe dabei und angezogen zu haben. Nach etwa vier Kilometer des Weges durchqueren wir einen zehn
Meter langen Tunnel. Kurz darauf folgt noch eine Dusche mit Wasser welches über die Felsen auf die Levada rinnt. Dank unseres
Schlendrians werden wir von einem Paar überholt. Es sind die ersten Leute welchen wir unterwegs begegnen. Nach insgesamt 5.3
Kilometer erreichen wir um Elf entspannt den Beginn der Levada. Dort wo das Wasser in der Schlucht dem Bach entnommen wird. Wir
machen einige dutzend Meter oberhalb der Entnahmestelle am Bach Rast. Schon bald sind wir von bettelnden, etwa spatzengrossen
Vögeln umringt. Einer frisst mir einen Kekskrümel aus der Handfläche. Meine Karotte esse ich selber. In der engen feuchten Schlucht
ist es eher kühl, was uns bald wieder aufbrechen lässt.
Während unserer Pause sind etliche weitere Wanderer eingetroffen. Auf unserem Rückweg begegnen wir noch mehr Levada Begehern.
Nach etwa 2.4 Kilometer zweigt eine Waldstrasse von der Levada ab, auf welcher wir weiter richtung Parkplatz wandern. Die
Strasse bietet andere Anblicke und somit eine Abwechslung. Sie überquert einen Hügel und verschafft uns damit noch einige
zusätzliche Höhenmeter. Zürück am Ausgangspunkt stehen nun an die hundert Fahrzeuge. In einem kleinen Lokal daneben trinken wir
etwas und beschliessen aufgrund des frühen Nachmittags noch nach Seixal zu fahren.
Das westlich von Ponta Delgada gelegenen Seixal erreichen wir, nach einigen Halten für die Ausblicke über die Küste, nach einer
guten Stunde. Der schwarze, mit einer Mauer von der offenen See abgetrennte Sandstrand ist gut besucht. Wir finden schnell einen
Parkplatz in den gedrängt abgestellten Autos. Wirklich zum Baden einladend finden wir den Strand nicht. Abgesehen davon, dass
der Atlantik auch temperaturmässig eher frisch daher kommt. Ohne Neopren geht da nichts! Badestrände sind auf Madeira Mangelware.
Deshalb wohl die vielen Gäste na diesem Ort. Wir verweilen einige Zeit auf einer Rampenmauer sitzend und das Geschen beobachtend
am Strand. Die Surfnovizen versuchen sich bereits im Wasser fleissig im aufstehen vom Brett. Einer muss sein mittig gebrochenes
Brett beim Lehrer gegen ein intaktes eintauschen. Während dessen übt eine, nach oliv neoprenierten Männchen und weinrot verpackten
Weiblein sortierte Gruppe, auf den Brettern im Sand. Neben den angehenden Surfern sind wenige Leute im Wasser. Verständlich bei
den Temperaturen! Zudem ist der Himmel etwas wolkenverhangen. Erst als wir uns an der Szenerie sattgesehen haben, klart es auf.
Wir fahren wo möglich auf der alten Küstenstrasse zurück zu unserem Steinhäuschen. Rita ruht sich aus und ich schreibe am
Tagesbericht. Dann verinnerlichen wir noch andächtig den Ausblich über die steil ins glitzenrnde Meer versinkende Hänge von
Madeira bis zum Sonnenuntergang.
Heute schlafen wir etwas länger. Es soll eine einfache Wanderung auf dem Paul do Serra - dem Hochplateau - sein. Dafür haben wir
den Pfad PR13 ausgemacht. Meine Naviapp will uns entlang der Nordküste hinauf auf 1300 Meter über Meer führen. Ich habe gesehen,
dass es aber einen direkteren Weg über das Gebirge geben sollte. So übersteuern wir die App indem wir ab Sao Vicente einfach
Richtung Gebirge abbiegen. Hinter einem Reisecar geht es die Kurven hinauf. Der Carchauffeur lässt sein Gefährt richtiggehend
fliegen. Sicher kennt er die Strecke und hat keine Passagiere an Bord. Denen wäre sonst speiübel. Wir überqueren die Passhöhe.
Der Reisecar hält an und wir folgen weiter der vom Navi neu berechneten Route bis wir im Süden im Tal unten ankommen. Ich bin mir
sicher, wir hätten viel weiter oben abbiegen müssen. Ich sehe auf der App nach und mein Verdacht ist bestätigt. Auf der Passhöhe
wo der Car angehalten hat, wäre die Abzweigung gewesen. Wir fahren die Passstrasse wieder hoch und biegen am richtigen Ort ab.
Nach hundert Metern kommt ein Sackgasse-Signal. Nach dreihundert Meter ist die Strasse komplett wegen Felssturz gesperrt. Die
Naviapp hat es also gewusst! Hocherfreut befahren wir die selbe Strasse gegen Süden zum dritten Mal. Weiter geht es bis an die
Küste um dann wieder auf 1300 Meter hoch zu fahren. Meine Idee vom kürzeren Weg hat sich schlussendlich in dreimal mehr Weg und
eine Stunde Fahrzeit verwandelt!
Auf der Hochebene Paul do Serra finden wir den Beginn des Wanderwegs PR13. Bis zum Endpunkt sind es 10.8 Kilometer Strecke.
Schon kurz nach dem Pakplatz geht es aus Ginster- und Wachholderbüschen bestehende Dickicht. Im Gegenteil zu den Wegen die
den Levadas folgen, geht es hier auf und ab. Die Aussicht ist durch das über menschhohe Unterholz sehr eingeschränkt. Nur selten
bieten sich Ausblicke. Und wenn, dann immer ins selbe Tal. Dort liegt die Levada der 25 Quellen. Ein der meistbegangenen Routen
in Madeira. das lässt sich unschwer am in der Ferne liegenden, überdimensionalen und gut gefüllten Parkplatz erkennen. An der
Nordküste lagen bei unserer Abfahrt dicke Wolken. Wir hatten auch hier oben mit Wolken oder zumindest Nebel gerechnet. Doch der
Himmel ist makellos blau und es ist warm. Wir bewegen uns entlang der nördlichen Kante der Hochebenen. Neben dem Buschwerk
bieten kurze Abschnitte mit knorrigen, flechtenbehangenen Bäumen etwas Abwechslung. Diese befinden sich an der Nordküste des
Weges zugewandten Seite. Wir kreuzen einige Male die Nebenstrasse 209 und beschliessen bald, wegen der gleichbleibenden Strecke
nicht die ganzen 10 Kilometer hin und zurück zu machen. Nach etwa 5 Kilometer im Auf und Ab durch das Buschwerk machen wir an
einem Aussichtspunkt Rast. Nach der Pause geht es den selben Weg zurück. Um Vier Uhr sind wir wieder beim Auto.
Wir fahren auf der 209 weiter nach Ribeira de Janela und passieren den Endpunkt der Wanderung PR13. Der Parkplatz an der
Hauptstrasse ist gut besucht. Das Gros der Turisten besucht die nebelverhangenen Bäume am Endpunkt mit einem kurzen Fussmarsch
von hier aus. Ich weiss nicht, wie ich mich am Ende einer anstrengenden Wanderung in den Turistenmassen gefühlt hätte. Aber
dies spielt eh keine Rolle mehr. Das hoch über dem Meer gelegene Janela bietet einen wunderbaren Blick über die Nordküste.
Weit unten mache ich einen steinigen Strandabschnitt aus. Vielleicht ist das eine Gelegenheit für ein Bad. Nach etlichen
Kehren hinab stehen wir am Meer. Der Küstenabschnitt ist felsig und die Brandung stark. Kein idealer Ort um ein Bad zu nehmen.
Zudem sind die Strömungen nicht zu unterschätzen. Mal sehen, was sich in Porto Moniz ergibt. Dort hat es geschützte
Salzwasserbecken. Wir fahren dorthin weiter.
Wie immer finden wir auf Anhieb einen Parkplatz in der Nähe der frei zugänglichen Badebecken. Erst genehmigen wir uns ein
Eis und ein Getränk in einem oberhalb der Badi gelegenen Lokal. Während Rita wartet, steige ich in eines der Becken. Die
ursprüngliche vulkanische Felsformation wurde mit einigen Mauern vom Meer abgetrennt. Die so entstandenen und teilweise
miteinander vebundenen Becken werden mittels Pumpe von Meerwasser gespiesen und durchflutet. Die Wassertemperatur ist nach
der Wärme beim Wandern und der Autofahrt gerade richtig und erfrisch. Jetzt am späten Nachmittag sind erträglich viele Leute
anwesend. Die meisten sind Turisetn wie wir. Ich drehe einige Runden um die Felsen durch die verschiedenen Becken und schaue
über die Beckenkante ins etwas tiefer liegende Meer. Trotz des turistischen Orts ein beschaulicher Platz. Ich bin genug
erfrischt und steige mir tropfenden Badehosen die Rampe zu Rita hoch, welche im Schatten der Bäume auf einer Parkbank wartet.
Nachdem die Badehose etwas getrocknet ist, spazieren wir durch das Zentrum von Porto Moniz zu einem Laden um die Zutaten für
unser Nachtessen zu kaufen. Es wird Salat mit Teigwaren und Tunfisch geben.
Nach Sechs sind wir wieder zurück in unserer Steinvilla. Während wir unser Essen zubereiten zieht der Himmel zu. Beim Essen
beginnt es leicht zu regnen. So scheint das Nordküstenwetter zu sein. Da es morgen ebenfalls auf der ganzen Insel schlecht
beleiben soll, planen wir, auszuschlafen und dann den botanischen Garten in Funchal zu besuchen. Als die Wolken und der
Dunst kurz von der Sonne etwas durchbrochen wird, lege ich mein Notebook zur Seite um einige Bilder der mystischen Stimmung
im Bild einzufangen. Dann schreibe ich noch einige Zeit weiter am Tagesbericht.
Wir sind ausgeschlafen und frühstücken um Neun. Wie üblich ist der Morgen klar und der Himmel offen. Auch wenn sich am Horizont
schon die nächsten Wolkenbank ankündigt. Wir fahren quer durch die Berge und den Tunnel richtung Funchal und dann durch Funchal
hindurch zum botanischen Garten. Die Südküste ist grösstenteils bebaut und auch weniger schroff ins Meer abfallend. Mir gefällt
der Norden mit seiner ungezähmteren Art besser. Um Halb Zwölf sind vor Ort beim botanischen Garten. Wieder wird bei einem
Parkplatz ein Feld für uns frei. Nach einigen Metern die steile Strasse hinauf, bezahlen wir den Eintritt von 7.50 Euro pro
Person. In einer grosszügig um eine Villa angelegten Parkanlage sind hunderte von einheimischen und fremden Pflanzen im Hang
gruppiert. Auf breiten und schmalen Pfaden kann man sich die Arten ansehen. In der Blüte stehen nur wenige Pflanzen. Dafür ist
die Jahreszeit schon zu fortgeschritten. Der Frühling wäre sicher die bessere Jahreszeit gewesen. Aber auch so kann man lange
in der im Jahr 1960 geschaffenen, rund acht Hektar grossen Anlage verweilen. Wir schlendern entlang der Pfade und Rita ist in
ihrem Element. Was mich freut. Der bedeckte Himmel verdirbt uns den Besuch nicht. Sonne hatten wir gestern genug. Nach zwei
Stunden und etlichen Bildern nehmen wir einen Seitenausgang welcher direkt zu unserem Parkplatz führt.
Auf der Naviapp gebe ich den Weg über das Gebirge ein. Wir folgen der vorgeschlagenen Route. Als erstes geht es eine unglaublich
steile Strasse geradewegs den Hang hinauf. Eine Strasse mit einem solchen Gefälle bin ich in meinem bisherigen Leben noch nie
gefahren. Es überkommt uns ein leichtes Gefühl der Rückwärtsrolle. Nach einigen hundert Metern, beinahe schon oben angelangt,
blockiert ein Abschleppwagen die Strasse. Er zieht ein Auto, welches in einer der überall vorhandenen Wasserrinne geparkt hat
und nicht mehr daraus hinaus kommt, hinaus. Im Flachen wäre dies sicher möglich gewesen. In dieser steilen Strasse unmöglich.
Wir warten einige Minuten. Dann kann ich meine Künste im Berganfahren beweisen. Mit einem Schaltautomaten ist das
zugegebenermassen einfacher. Zur Sicherheit nehme ich trotzdem die Handbremse zur Hilfe. Weiter geht bergauf. Kaum aus den
Häusern hinaus, fahren wir im dichten Nebel. Mer als 40 Stundenkilometer GEschwindigkeit sind nicht mehr möglich. Rita macht
Copilotin und sagt die Kurven an. So geht die Fahrt weiter bis wir auf rund 1400 Meter über Meer aus den Wolken und dem Nebel
in den Sonnenschein und stahlblauen Himmel fahren. Es sind etliche Downhillfahrer auf der Strasse unterwegs. Irgendwo muss
hier eine Strecke sein. Gewahr des möglicherweise bewölkten Nordküstenwetters kehren wir kurzentschlossen in ein an der Strasse
liegendes Lokal ein. Wir geniessen Kaffee und Kuchen an der Sonne.
Nach der Abfahrt erspähe ich von der Passhöhe aus die höchsten Berge, welche wir morgen erklimmen möchten. Zehn Minuten später
kurven wir bergab durch den Nieselregen bis weit hinunter die Wolkendecke wieder aufreisst. In Santana kaufen wir im Supermarkt
Fleisch und Mais für den Grill heute Abend und weitere Lebensmittel für die nächsten Tage ein. Ab hier kennen wir die den
Heimweg und benötigen keine elektronische Hilfe mehr. Während zurück im Haus die Maiskolben kochen und das Feuer zur Glut wird
kann ich meinen täglichen Bericht verfassen. Dann wird gegessen und auf gutes Wetter für unsere morgige Gipfelwanderung gehofft.
Heute werden sich unsere Testwanderungen hoffentlich auszahlen. Um Fünf Uhr morgens läutet der Wecker. Wir wollen früh zu
unserem anstrengenstem Unternehmen in diesen Ferien aufbrechen. Vom Parkplatz Achada do Teixeira auf 1600 Meter über Meer
hoch zum Pico Ruvio. Dem höchsten Berg Madeiras mit 1862 Metern Höhe. Dann hinauf und hinunter, entlag steiler, von vier
Tunneln durchbrochener Klippen um den Pico das Torres hinauf zum Pico Arieiro auf 1818 Metern über Meer. Insgesamt werden
wir am Ende des Tages etwa 15 Kilometer in den Beinen haben.
Die Fahrt zum Parkplatz dauert etwa 45 Minuten. Wir sind kurz nach Sieben um einige Minuten zu spät dran, um den vollständigen
Sonnenaufgang zu sehen. Um Halb Acht marschieren wir los. Bis auf den Pico Ruvio sind es 2.8 Kilometer. Auf unserem Weg hinauf
kommen uns einige Leute entgegen, welche wohl oben auf dem Gipfel den Sonnenaufgang bestaunt haben. Die ersten zwei Kilometer
des Wegs sind gemässigt steigend. Dann wird es steil. Das ist kein Problem. Der Morgen ist und wir sind noch frisch. Der Ausblick
ist grandios, auch wenn sich unter uns auf zirka 1200 Meter Höhe das Wolkenmeer ausbreitet und den Blick auf die Küste nicht
verdeckt. Im Bewusstsein noch einen weiten Weg hinter uns bringen zu dürfen, steigen wir ab. Es geht nun mehrere hundert Meter
tiefer. Ab hier würde sich der Weg in eine westliche und eine östliche Route rund um den Pico das Torres aufteilen. Zu meiner
grossen Enttäuschung ist nur noch die östliche Route begehbar. Die westliche wurde durch einen Felssturz beschädigt und danach
irgendwann ganz geschlossen. Auch der Verbindungstunnel durch den Grat ist nicht mehr geöffnet. So müssen wir die selbe Strecke
zum Pico Arieiro hin und zurück laufen. Die geänderte Streckenführung wurde nicht mehr ganz so jedermannfreundlich angelegt.
Anstelle des Querstollens muss man nun einen Grat über steile Treppen und Metallstufen überwinden. Wir bewegen uns eher gegen
den Strom. Etwa 80% der Wanderer begehen die Strecke vom Pico Ariero aus und diese auch nur einmal. Dann werden sie vom Parkplatz
bei Achada do Teixeira von Fahrzeugen abgeholt.
Nach dem Überwinden des Grats verläuft die Strecke mit weniger Höhendifferenzen entlang der steilen Felswände aus Vulkangestein.
Bei einigen Felsnasen wurden Tunnel durch den weichen Bimsstein des Pico das Torres getrieben. Die beiden längsten sind etwa 150
und 180 Meter lang. Da sie beinahe schnurgerade verlaufen ist auf der Gegenseite das Ende zu sehen. Das Licht des Mobiltelefons
reicht um für die Durchquerung genügend zu sehen. Wir haben eine Stirnlampe dabei, was konfortabler ist. Es sind wirklich sehr
viele Leute unterwegs. So viele Male "Danke" und "gern geschehen2 für das Platz machen, haben wir schon lange nicht mehr gesagt.
Ich vernehme Sprachen aus dem gesamten europäischen Raum. Aus der geteilten Anstrengung ergeben sich einige kurze amüsante Gespräche.
Hier oben ist die Natur etwas später dran. Die Blüten entfalten sich erst richtig und sind wunderbar anzusehen. Eine verbreitet
einen ganz besonderen Duft. Er erinnert stark an menschliche Exkremente. Die kleinen Lila Blüten sind aber sehr hübsch. Nachdem wir
dreieinhalb Stunden unterwegs sind, beginnt der halbstündige Aufstieg zum Pico Arieiro. Noch einmal geht es steil bergan. Auf
einem Grat kurz vor dem Gipfel des Pico Arieiro machen wir Rast und gehen nicht weiter. Uns reichen schon die Leute unterwegs.
Wir wollen nicht noch mehr darin baden. Unsere Rast dauert eine halbe Stunde. Was wir vorhin steil hoch sind, geht es wieder
hinunter. Mich wurmt es immer noch mächtig, die Westroute nicht begehen zu können. Immerhin sind nun weniger Leute unterwegs.
Etliche begenen uns zum zweiten Mal. Sie sind nur ein Stück des Weges gegangen und dann umgekehrt. Nicht alle wollen die
körperliche Anstrenung so ausgiebig erfahren wie wir. Es ist nun nach Mittag und schon sehr warm. Meine drei Liter Wasser im
Trinksack neigen sich dem Ende zu. Immerhin habe ich nicht mehr soviel zu schleppen. Erneut stehen wir am Grat. Der Aufstieg von
dieser Seite ist mit etwa hundert Höhenmetern doppelt so lang wie auf der Gegenseite. Die Metalltreppen und Steinstufen sind hoch
und das Gefälle sehr steil. Es ist wirklich anstrengend. Auch die jüngeren Generationen steigen nicht ganz so locker hoch. Wir
halten gut mit. Da wir die Strecke schon kennen, wissen wir, dass nach dem kurzen Abstieg eine eher einfacher zu begehende
Steigung folgt. Trotzdem dauert es sicher eine halbe Stunde bis zur Abzweigung welche an der Strecke Parkplatz-Pico Ruvio liegt.
Von hier an ist alles gegessen. Der gepflasterte Weg ist für den Sonntagsspaziergänger geeignet. Zügig sind wir nach sieben
Stunden und einer Strecke von insgesamt 15 Kilometern zurück beim Auto. Vom Gepäck und den schweren Schuhen entledigt trinken
wir im nahen Bergrestaurant noch etwas bevor es hinunter an die Küste geht.
Die Wolkendecke hat sich gelichtet. Die Sonne begleitet uns bis an die Küste hinunter. An einem Keisverkehr habe ich schom
mehrmals ein Schild mit der Aufschrift "Praia" gesehen. Dieser Richtung folgen wir nun einen Kilometer ein schmales Tal hinunter.
An dessen Ende liegt ein grösserer Parkplatz. Ein felsiger Strand schliesst das Tal ab. An einer Talseite werden wir von einem
Bad mit zwei Becken und einem Restaurant überrascht. Leider haben wir unsere Badekleider nicht mit. Hier ist noch deutlich die
alte Strasse zu erkennen, welche einmal um die Insel geführt hat. Östlich der Talmündung liegen einige wenige Häuser mit
verwilderten Gärten. Der Bewässerungskanal ist durch die ausbleibende Bewirtschaftung grösstenteils defekt. Auf der einigen
hundert Quadratmeter grossen, nutzbaren Fläche unterhalb der schroffen Felswände wurde ein direkt am Meer liegendes Steinhaus
zu einem prächigen Wohnsitz restauriert. Richtung Westen führt die uralte, gepflästerte Hauptstrasse entlang der Steilküste
weiter in den nächsten Ort. Sie ist sehr zerfallen und kann nur noch als Wanderweg genutzt werden. Eine Abschrankung mit Signal
warnt vor Steinschlag. Einige Felsblöcke auf dem Kopfsteinpflaster bestätigen die Gefahr.
Wir haben genug gesehen und fahren zu unserem Feriendomizil. Kochen müssen wir nicht mehr. Es sind noch Reste vom Vortag
vorhanden. Danach geniessen wir die Abendsonne. Rita beim Entspannen und ich beim Schreiben. Zum Abschluss sehen wir uns noch
Bad Boys for Life auf dem Notebook an. Jedoch nur bis zur Hälfte. Wir legen uns vor dem Ende ins Bett, da die Müdigkeit zu
gross ist.
Wir schauen uns heute etwas in Lombada wo wir wohnen und in Ponta Delgada nebenan um. Nach einem gemütlichen Frühstück gehen
wir der Strasse unter unserem Haus entlang. Schauen in die Gärten und betrachten die Häuser. Einmal schlgen wir einen Weg in die
terrassierten Felder im Hang ein. Nach fünfzig Metern hinab wird er immer zerfallener und überwucherter. Es ist auf jeden Fall
eindrücklich zu sehen, was vor langer Zeit mit Muskelkraft geschaffen wurde. Tonnenschwere Blöcke wurden in Handarbeit gekonnt
zu meterhohen Trockenmauern aufgeschichtet um die Hänge in begeh- und bepflanzbare Flächen zu verwandeln. Nach Jahrhunderten
des entbehrungsreichen und hartens Lebens werden heute davon nur noch ein Bruchteil bearbeitet. Verständlich aber schade.
Mit dem Auto fahren wir die kurze Strecke nach Ponta Delgada, stellen den Wagen ab und streifen durch die Strassen. Hier ist der
Unterschied des Zustands der Häuser noch extremer als in Lombada. Neben zerfallenen Steinhäusern stehen im modernsten Stil
erbaute Villen. Am Ende der Landzunge steht ein grösseres Vier-Sterne-Hotel. Insgesamt ist der Ort jedoch etwas mehr bewohnt.
Das Bad am Hafen ist immer noch nicht in Betrieb. Es wird warscheinlich wie vermutet erst in den lokalen Sommerferien öffnen.
Das Lokal in dem wir letzthin etwas getrunken haben ist geschlossen. In der Ortsmitte finden wir ein typisches einheimisches
Cafe. Auch die Preise passen. Für ein kleines alkoholfreies Bier, einen Cafe und ein Twix bezahlen wir 3 Euro 40. Ich hole
das Auto und Rita sieht sich in einem gegenüberliegenden Kleiderladen um. Sie bestätigt meine Mahnung nicht zuviel zu erwarten.
Der Laden habe dem beschriebenen entsprochen und zudem wie eine einzige Mottenkugel gerochen, Meint sie.
Auch hier habe ich beim Herumlaufen die alte Küstenhauptstrasse ausgemacht. Diese verläuft direkt vom Cafe aus Richtung Osten
entlang der Klippen zum nächsten Ort. Wir fahren bis zu einem Tunnel. Ab da ist die Strasse mit Felsblöcken versperrt. Sie ist
auch hier nur noch zu Fuss begehbar. Der bröckelnde Belag gibt in grossen Flächen die darunterliegende, in Fischgrätmuster
verlegte Pflästerung frei. Der Tunnel ist roh ausgebrochen und ohne jegliche Sicherung in Spritzbeton. Danach ist die
Stützmauer der Strasse teilweise weggebrochen. Der Fels fällt rund achtzig Meter senkrecht in die unten anprallende Brandung ab.
Der Ort verschafft einen guten Überblick von Ponta Delgada bis hinauf nach Lombada. Wir haben genug gesehen und fahren heim um
danach das Nachtessen einzunehemen. Später können wir noch den Rest des gestern begonnen Films ansehen.
Der heutige Morgen ist wolkenverhangen und neblig. Wir sind nicht in Eile. Des eher mässigen Wetters wegen haben wir schon
gestern beschlossen, die östliche Landzunge zu besuchen. Diese ragt nur um die hundert Meter aus dem Meer. so stauen sich die
Wolken nie, sondern ziehen darüber hinweg. Rita möchte gerne noch den Lorbeerwald am Fanal sehen. Der Mystik wegen und so. Das
wäre der Endpunkt unserer nur zur Hälfte abgeschlossenen Wanderung von letztem Freitag. Also fahren anstelle nach Osten erst
nach Westen der Küste entlang und dann die R209 hoch. Wie der verahngene Himmel erahnen liess nieselt es hier oben. Wir halten
auf dem Parkplatz in der Nähe des "Waldes" und amüsieren uns über die optimistischen Besucher in kurzen Hosen, Leibchen und
Turnschuhen. Wir sind passend angezogen. Der Matsch macht uns nichts aus. Der Nebel passt total. Es sind weniger Turisten zu
sehen und diese verschwinden im Nebel. Die Leute tauchen vermutlich so bekleidet hier auf weil sie Bilder sehen die wir lebhaftig
vorgeführt bekommen. Ein "soziales" Girl posiert in der etwa 13 Grad warmen Bergluft in ihrem kurzen Röcklein und Leibchen
während der Freund die Jacke hält und Bilder macht. Nach einigen Fotos wird eilig die Jacke übergestreift und rasch richtung
Auto marschiert. Der Baumgruppen haben wirklich etwas geheimnisvolles mit ihren Bärten und Flechten. Auf den freien Flächen und
in den Farnen grasen einige Kühe. Am oberen Rand zur Nordküste hinab bläst ein rauer Wind. Nach einer halben Stunde haben wir
genug gesehen und fahren hinunter und der gesamten Nordküste entlang bis nach Ponta de Sao Lourenco.
Da es nun schon nach Ein Uhr Nachmittags ist, sind viele die zum Ostkapp marschiert sind wieder auf dem Rückweg von der Wanderung.
Hier ist das Wetter wie erwartet besser. Das Gegend ist trocken. An exponierten Stellen weht ein Starker Wind. Während unseres
drei Kilometer langen Marsches auf der Landzunge ist der vulkanische Ursprung Madeiras gut zu erkennen. Dort wo die ewig
anprallende Brandung Klippen geformt hat sind Schichten aus Asche, Bims und Lava zu sehen. Entstandene vertikale Klüfte wurden
mit hochdrückender Magma verfüllt die nun graue Linien bilden. Unseren Muskeln zuliebe geht es natürlich auch wieder hoch und
runter, sodass wir sicher nicht aus der Übung kommen. In der Mitte der abschlissenden Schlaufe auf einer leicht abschüssigen
Ebene befindet sich ein Kiosk mit Sitzgelgenheit. Von hier aus kann man noch einen Gipfel erklimmen und hat den Blick frei auf
die letzten zwei abgekoppelten Eilande mit Leuchtturm. Wir verzichten und machen Rast beim Kiosk. Dann geht es den Rest der
Schlaufe und die drei Kilometer zurück bis zum Parkplatz.
Wir fahren ins nahe gelegene Canical um dort unser Abendessen einzunehmen. Erst genehmigen wir uns einen Drink. Rita wählt das
madeirische Nationalgetränk Poncha und ich das übliche alkoholfreie lokale dunkle Bier. Poncha ist eine Mischung aus
Zuckerrohrschnaps, Honig, Zitronen- und Orangensaft. Endlich können wir Meeresfrüchte essen. Ich bekomme lokalen Fisch und Rita
Crevetten. Wir sind die einzigen in diesem Lokal, welche um diese Zeit - Sechs Uhr Abends - essen. Die restlichen Turisten und
die Einheimischen essen deutlich später. Das macht nichts. So kommen wir noch zeitig zurück in unsere Oase. In einer kleinen
Bäckerei kaufe ich vor der Abfahrt noch ein Brot und ein Becherkuchen für einen 1.80 Euro. Der Weg zurück dauert gut 50 Minuten.
Schon einige Zeit sind uns die typischen Briefkästen aufgefallen. Da wir weit hinter uns kein Auto haben, kann ich endlich
ungestört eine Ansammlung davon ablichten. In Lombada ist es immer noch stark bewölkt. Bis zum Eindunkeln schreibe ich beim Rauschen
der Wasserrinne vor dem Haus und durch Regentropfen unterbrochenes Vogelgezwitscher am Tagesbericht. Kein menschengemachtes Geräusch
stört meine Gedanken. Der ungestöfte Klang und Anblick der Natur streichelt meine Sinne und meine Seele.
Noch haben wir nicht genug Kilometer in den Beinen. Es sind mehr Wanderferien als Bade- oder sonstwelche Ferien. Um Acht sind
wir in Queimadas. In diesem kleinen Naturfreizeitpark beginnt der Weg PR9. Dieser führt 6.5 Kilometer entlang der Levada do
Caldeirao Verde bis zu einem engen Felskessel mit kleinem Naturbecken die der Levada den Namen gab. Es stehen nur wenige
Autos auf dem Parkplatz. Wir befinden uns knapp unter der Nebelobergrenze. Heute ist unser Weg insgesamt zwar 13 Kilometer lang,
sollte aber ohne Auf und Ab sein, da er der Levada folgt. Die Kanäle haben meist ein Gefälle von wenigen Promille. Die
angegebene Höhendifferenz beträgt keine hundert Meter.
Am Anfang ist der Weg breit und matschig. In dieser Höhenlage ist es dauernd feucht, deshalb der Schlamm. Zum glück ist er kaum
je tiefer als einen halben Zentimeter. Auch kann man ihn gut auf der Mauer der Levada umgehen. Auf rund einem Viertel der Strecke
ist die Levada in den senkrechten Fels geschlagen. Da bleibt nur etwa ein halber Meter um entlang des teilweise bis zweihundert
Meter tiefen Abgrunds zu gehen. Diese Stellen sind wie üblich mit Seilen gesichert. Ich liebe es, in dieses üppige Grün
einzutauchen und dessen Geruch einzuatmen. Das Konzert der Vögel begleitet uns. Da wir uns um die steilen Felsflanken im
Zickzack bewegen hören wir die Personen welche sich etwa zweihundert Meter vor uns beinahe parallel gegenüber unterhalten. Die
Sicht ins Tal ist immer noch beschränkt. Doch die Konstruktion der Rinne bietet Abwechslung. In einem Couloir ist sie in über
eine zwanzig Meter lange Brücke geführt. In Rutschgebieten ist sie zum Schutz vor Verstopfen überdeckt. Wir durchqueren
insgesmt vier Tunnel. Der kürzeste zehn Meter, der längste hundertfünfzig Meter lang. Diesem geht ein fünfzig Meter langer
Einschnitt voraus. Die Tunnel lassen wie üblich die schroffsten Felsnasen aus. Einer der Tunnel mit etwa siebzig Meter Länge
windet sich in mehreren Kurven durch den Berg und ist teilweise nur etwas 1.5 Meter breit 1.5 Meter hoch. Weshalb die Kurven,
ist mir nicht klar, sonst sind sie meist schnurgerade. Die unregelmässigen Ausbrücke lassen vermuten, dass sie Probleme hatten,
die korrekte Richtung zu treffen. Vielleicht haben sie so auch instabile oder schwierig zu durchfahrende Schichten
ausgelassen. Wie die Jahreszahlen im Mörtel zeigen, wurde die Levada im Jahr 1937 mindestens erneuert. Es ist auf jeden Fall
eine bergmännische Sonderleistung, was in diesem steilen Gelände mit einfachen Mitteln vollbracht wurde. Alles musste über
Kilometer auf dem schmal ausgebrochenen Felsband in schwindeleregender Höhe hingeschafft werden. Ich hoffe, ich finde zuhause
mehr über den Bau heraus. Auch interessiert es mich, wie sie die Vermessung vorgenommen haben. Ein Vortrieb vom
Entnahmepunkt des Wassers war nicht möglich. Es gab keine speziellen Hilfsmittel die Ausrüstung in diese engen und extrem
steilen Täler zu schaffen. Sicher wurde mit gewissen Reserven an Höhe gearbeitet, um das Wasser zum Zielpunkt zu bringen.
Im Gegensatz zu den Walliser Konstruktionen, welche auch Holzkanäle beinhalten, fehlt Holz hier gänzlich. Warscheinlich auch
des Klimas wegen.
Von oben tropft das Wasser aus den Farnen, weit unten hört man es rauschen. Die Sonne drückt durch und gibt den Blick ins Tal
frei. Nach zwei Stunden ind wir im schmalen rund seibzig Meter hohen Kessel des Caldeirao Verde angelangt. Die Levada führt
noch weiter zum Caldeirao do Inferno und sie bringt auch Wasser. Die Strecke ist jedoch gesperrt. Vielleicht fehlt das Geländer,
was den Turisten nicht zugemutet werden soll. Auch der Zugang zum Becken unter dem Wasserfall, dem Caldeirao Verde, ist auf den
letzten Metern wegen Steinschlag abgeschrankt. Das scheint mir ein Witz. Da darf man über Stunden auf der Levada in - zwar
bewachsenen - aber senkrechten Felswänden wandern, jedoch den eindrucksvollen Endpunkt soll man wegen Steinschlaggefahr nicht
sehen. Wir ignorieren die Abschrankung und ducken uns durch. Nach einem kleinen Imbiss und einer Pause gehen wir zurück. Nun
kommen uns wie üblich unzählige Leute entgegen. Alle sind etwa eine Stunde später los. Entweder sind wir over- oder die meisten
uns entgegenkommenden underdressed. Beinahe alle gehen in Turnschuhen, kurzen Hosen und Leibchen. Jeder wie er es für richtig
hält. Wir müssen unsere Schuhe auf jeden Fall nur reinigen und nicht gleich entsorgen. Durch das Kreuzen und Acht geben auf den
Gegenverkehr, fällt es schwer die Schönheit und den Ausblick in die Gegend zu geniessen. Doch das soll uns nicht die letzte
Wanderung verderben. Nach zwölf sind wir zurück beim Ausgangspunkt. Wir machen ausgiebig Pause und essen den Rest des
Mitgebrachten.
Auf dem Heimweg kaufen wir Mitbringsel für jene welche uns zum Flughafen gebracht haben und noch abholen werden. In Ponta
Delgada tanken wir soviel, dass es bei Abgabe der Entgegennahmemenge entspricht. In der zugehörigen Bar trinken wir noch etwas
und sind kurz darauf zuhause. Das Wetter hier unten ist immer noch durchzogen und so stört es uns nicht, die Sachen für unsere
Abreise morgen früh zu packen und das Haus im nötigen Umfang zu putzen. Das Duschen tut gut, baden wäre noch netter gewesen.
Doch verfügt unser Steinhaus über keine Badewanne. Ich möchte es trotzdem nicht gegen ein Hotelzimmer eintauschen. Es lässt
sich vortrefflich darin aushalten. Leider nur noch einen letzten Abend und eine letzte Nacht, bevor wir wieder in unser
übliches Leben zurückkehren.