Unsere Reiseroute in Blau
Nach einem halbleeren Flug über den Teich, bei dem wir bequem schlafen
konnten sind wir entsprechend ausgeruht in Lima angekommen. Unser reserviertes
Zimmer im Hotel ist zwar ringhörig, aber neben dem Polizeihauptquartier
gelegen wenigstens sicher. Nur von kurzen mittäglichen Aufhellungen
unterbrochen herrscht hier mehrheitlich Nebel, aber bei immerhin zwanzig Grad.
Trotzdem fasziniert uns der Millionen-Moloch zu wenig um zum Verweilen
einzuladen.
Hier befindet sich noch alles in Weihnachtsstimmung
und es blinkt entsprechend. Das Leben in der Ortschaft läuft sicher nicht
nur dank der anhaltenden Feiertagsstimmung relativ ruhig ab.
Auch hier gibt es öfters Nebel, dieser regnet aber erst an
den Hängen der Anden ab. Deshalb und wegen der geringen Niederschläge
ist die Küste bis an die Bergflanken eine immense Wüste. Dies mussten
auch schon die frühen Bewohner, die Chimu, durch Anlegen von Zisternen
wettmachen. Kanäle brachten das Wasser zur ehemals hunderttausend Einwohner
zählenden Stadt Chan Chan über viele Kilometer. Zum ersten Mal begegnen
wir der urtümlichen Hunderasse dieses Landes, den Viringo.
Um den Marsch von der Stadt zu den Ruinen zu bewältigen, nehmen wir unser
Wasser in Pet-Flaschen mit.
Eine weitere Hochkultur vor den Chimu und Inka waren die Mochica welche ebenfalls
Lehmziegelbauten gewaltigen Ausmasses erstellt haben. Diese kümmerlichen dreissig
Prozent eines Tempels liessen die Conquistadores nach dem Ausleben ihrer Goldgier
stehen. Die anderen siebzig Prozent haben sie mit Hilfe des Flusses weggeschwemmt
um an vermutete Schätze zu gelangen. Immerhin sind im höher gelegenen
kleineren Mondtempel viele Friese original erhalten. Die Anlage ist heute
Welt-Kulturerbe der UNESCO.
Drei Stunden Busfahrt nach Norden durch von
Flussoasen unterbrochene Wüste entlang der Pazifikkueste liegt Chiclayo.
Unterwegs ist gut zu sehen, dass das System der Bewässerung schon ewig
praktiziert wird. Wo Heute noch Menschen siedeln finden sich auch die Reste
der Urkulturen.
Chiclayo ist eine umtriebige Stadt von 150000 Einwohnern in Distrikt Lambayeque.
Auf dem Grossen lokalen Markt befindet sich auch die Abteilung der Brujos,
der Hexer. Köpfe von Tucane, Rehbeine, Katzenpfoten sowie diverse
Kräuter werden zur Heilung jedwelcher Leiden verkauft. Teile des Kaktus
San Pedro zur Herstellung eines berauschenden Sudes sind auch vorhanden. Wir
berauschen uns aber lieber am relativ guten Wetter und der Wärme.
Fünfzehn Kilometer von Chiclayo entfernt in Lambayeque befinden sich zwei
gute Museen. In einem werden allgemeine Objekte der Lambayeque-(Chimu) Kultur
gezeigt. Erstaunlich Ihre Webefähikeiten. Als man bei uns noch in
Leinensäcken herumlief, kleideten sie sich hier schon in feinste
Baumwollumhänge. Peru ist eines der vier Länder der Erde das auch
farbige Baumwolle anbaut und neben Indien das Gebiet mit der längsten
Baumwoll-Tradition. Interessant sind auch die bei ausgestellten Skeletten noch
ersichtlichen Schnittspuren an der Wirbelsäule die von rituellen Opferungen
stammen!
Im anderen Museum, eher ein riesiger Tresor mit schweizer Hilfe erbaut,
werden Grabbeigaben von zwei Stammes-Oberhäuptern ausgestellt. Zur Besichtigung
wird uns aus Sicherheitsgründen alles ausser den Kleidern am Leib abgenommen.
Bei dem Anblick der Schätze verstehen wir die Gold-Geilheit der Eroberer
und die getroffenen Sicherheitsmassnahmen. Unglaublich welch ein Haufen aus
Gold, Silber und Kupfer mit in die Gräber gegeben wurde.
Erneut staunen wir, was diese "primitiven" Völker zustande brachten.
Die Mochica und später die Chimu, haben weit mehr Fläche bewässert
als es die Menschen heute tun. Bewässerungsräben bis siebzig Kilometer
waren keine Seltenheit. Daneben spielte der Fischfang eine wichtige Rolle.
Heute wird vor allem massenhaft Reis und Mango angebaut.
Nach sieben Stunden Fahrt über diverse Pässe und durch drei Klimazonen beziehen
wir in Chachapoyas, der Hauptstadt der Provinz Amazonas, in einem umgebauten Kolonialbau
erschöpft ein Zimmer. Am nächsten Tag fahren wir von 2300 Meter
hinunter an den Rio Uctubamba und folgen diesem rund eine Stunde flussaufwärts
mit kurzen Zwischenhalten um Grabstätten aus Ton, sogenannte Mausoleen,
in den Felswänden zu besichtigen. Das Volk der Chachapoyas bestattete ihre Ahnen
oberhalb ihrer Wohngebiete. Zum Schutz und Aufsicht über die Lebenden und zum
Weiterleben nach dem Tod.
Wir verlassen das Tal um in einer riesigen Schleife über Stock und Stein,
asphaltierte Strassen gibt es hier keine, auf dreitausend Meter zu gelangen.
Auf einem Bergrücken liegt die sechs Hektar grosse, mauerbewehrte Stadt
Kuelap. Sie wurde im 13. Jahrhundert verlassen und erst fünfhundert Jahre später
wieder entdeckt. Wir sind fasziniert von der Lage und dem Panorama. Auf dem selben
Weg zurück halten wir kurz und trinken unseren ersten Aufguss aus frischen
Cocablättern. Nach einer Nacht in Tingo fahren wir weiter flussaufwärts
und biegen in ein Seitental ab. Dort lassen wir den Wagen stehen um nach eineinhalb
Stunden Fussmarsch das Mausoleum Revash auf dreitausend Meter am
Berghang zu sehen. Dem Fluss Uctubamba im Haupttal folgend stehen wir zwei
Stunden später einer unsignalisierten Gabelung und fragen einen Cocabauern
nach dem Weg zum Dorf Leymebamba.
Aus seiner von Cocablättern gerundeten, betäubten Backe sabbert
brauner Speichel. Freundlich erklärt er mir die Route. Im Ort besuchen wir
ein Museum das zweihundert Mumien beherbergt. Diese wurden dank europäischer
Unterstützung vor Grabräubern aus den Bergen gerettet. Das überall
angebotene Cuy (Meerschweinchen) con Papas essen wir nicht zu Abend, aber Forelle
und Huhn.
Die härteste Prüfung steht uns am nächsten Tag bevor. Von 2500
Meter auf über 4000 Meter, dann hinunter auf 900 Meter an den Rio Maranon,
hinauf auf 3500 Meter, hinunter auf 2600 Meter nach Celendin. Noch einmal über
3000 Meter und dann nach drei Stunden Fahrt nach Cajamarca. Das Ganze auf einer Distanz
von 230 Kilometern. Nach einer Rekordzeit von acht Stunden über die unendlich
scheinende Schlaglochpiste schmerzt alles arg.
Nach dem Marathon der vergangenen Tage gönnen wir uns ein bisschen Ruhe
in der rastlosen Stadt. In Cajamarca wurde der letzte Inka-Herrscher Atahualpa
trotz Zahlung immenser Summen von den Eroberern erdrosselt. Die Hauptstadt der
gleichnamigen Provinz wächst wie in Peru üblich recht unkontrolliert.
Die Universität dagegen steht im Vergleich zur dicht gedrängten Bauweise
regelrecht verloren auf offenem Feld ausserhalb. Heute bringen wir nur vierzig
Kilometer Schotter hinter uns, um am Morgen die Grabnischen von Combayoder der
hiesigen Urbevölkerung in Felswänden zu bestaunen.
Auffallend sind die in je nach Provinz farbig gemalten Aborte (blau) in der Landschaft,
ein Tribut an die Epidemien "früherer" Tage. Nach dem Ausflug
gönnen wir uns ein Bad in den nahegelgenen Termen von Cajamarca wo schon
die Inka badeten. Seife kaufen wir von einem Jungen welcher diversen Kleinkram
beim Eingang feilbietet. Für zwei Franken geniessen wir eine halbe Stunde
im separaten Baderaum.
Manchmal ist einem das Glück hold, so auch uns bei der Zimmersuche. Ein
ruhiges, einigermassen warmes Appartement nennen wir für die nächsten
Tage unser eigen. Um unser Wohlbefinden zu vervollkommnen gönnen wir uns
zum Abendessen Alpakafilet mit gefüllter Peperoni und Kartoffeln. Bei der
ersten Erkundung der Stadt werden wir förmlich vom Massenturismus und dem
überall lauernden Abriss erschlagen.
Ebenfalls allgegenwärtig sind Reste der ehemals perfekt erstellten
Trockenmauern der Inkas, deren Steine aber grösstenteils für koloniale
Bauten benutzt wurden. Der Regenschutz ist hier auf 3400 Meter ein Muss. Kein
Tag ohne Regenschauer. Deshalb beschliessen wir Machu Pichu nicht zu besuchen.
Eine turistenmässige Anfahrt durch das heilige Tal ist uns zu dekadent.
Wir wollen die Ruine nach mehrtägigem Fussmarsch über den Inkatrail
erreichen, was bei dieser Jahreszeit aber witterungsbedingt keine Freude
bereitet.
Am Nächsten Tag erforschen wir die Umgebung von Cuzco. Der Anstieg nach
Tambo Machay in weitem Bogen von 15 Kilometern hoch über der Stadt gelegen
führtan mehreren Inka-Heiligtümern vorbei. Sacsayhuaman, der ehemalige
Inkasitz und religiöses Zentrum, liegt etwa 300 Meter über Cuzco
am Anfang des Weges. Die folgenden beiden Kultstätten, Quenko pequeno
und grande, haben eine Art Sitzbadewanne integriert. Bei einer Stätte
ist deutlich eine in den Fels geschlagene Rinne in stilisierter Schlangenform
zu sehen. Darin liess man das mit Maisbier vermischte Blut geopferter Lamas
fliessen. Je nach Verlauf hinein in eine Höhle im Karsthügel wurde
der Jahresverlauf prophezeit. Nach einem steilen Anstieg durch ein Tal mit
Bach erreichen wir einige Stunden und Heiligtümer weiter endlich Tambo
Machay, dem letzten Posten vor einem Pass zwischen der Inkahauptstadt
und dem heilige Tal.
Etwas fällt uns erst hier in den Bergen auf. Die Blitzableiter in Peru
unterscheiden sich ein wenig von unseren. Die Torritos schützen scheinbar
nicht nur gegen elektrische Entladungen sondern auch gegen böse Geister!
Das heilige Tal der Inkas liegt zirka eine Autostunde von Cuzco entfernt.
Auf dem Weg ins dorthin über die Berge verlassen wir den Bus in Chinchero
und geniessen die Eigenheit peruanischer Märkte.Danach besuchen
wir noch die runden, und deshalb speziellen Pflanzterassen von Moray.
Nach Aussage der Wissenschaftler müsste es sich dabei um ein
Versuchsgelände der Inkas für Zuchtversuche gehandelt haben. Im
Kessel herrscht auf jeder Pflanzstufe ein leicht anderes Klima. Einige
Kilometer weiter insheilige Tal hinab, in einem Seitental gelegen, befindet
sich die riesige Saline Pichingoto. Warmes Wasser löst das Salz im Berg
und wird nach dem Austritt in Becken zum Verdunsten gebracht und so das Salz
zurückgewonnen.
Die Nacht verbringen wir in Ollantaytambo, einem Dorf auf und neben der
gleichnahmigen Inkaruine erbaut, welche flussabwärts am Urubamba
gelegen das Tal gegen Feinde sichern sollte. Rund 50 Kilometer flussaufwärts
erfüllte die Siedlung Pisac den selben Zweck. Unglaubliche siebentausend
Trassen wurden von den Bauern um den Komplex am Bergkamm bewirtschaftet. Die
Stufen bedecken über hunderte Meter den Hang. Trotz des wundervollen
Panoramas hier auf dreitausend Meter möchten wir keine Kartoffeln bergauf,
bergab Pflanzen müssen.
Unsere erste Fahrt im Turibus total! Wir haben diese Option um nach Puno zu gelangen bewusst gewählt. Die Reise dauert normalerweise sechs Stunden aber man bekommt von den Sehenswürdikeiten an der Strecke nichts mit. So reisen wir in knapp zehn Stunden nach Puno, Mittagspause mit Verpflegung inklusive. Trotzdem überkommt Reni und mich ein Gefühl auf einer Art Werbefahrt zu sein. Auch senken wir den Alterschnitt um einige Jahre. Bei jedem Halt, insgesamt fünf, warten schon Einheimische und wollen uns ihre "Kostbarkeiten" andrehen. Glücklicherweise sind Peruaner ein eher leises und zurückhaltendes Volk, und so fällt das Abwimmeln nicht schwer. Beruflich profitieren kann ich beim Studium der Lehmverputztechnik von Hand. Die Lehmziegelbautechnik hat für die arme Landbevölkerung ihre Vorteile: extrem günstig, selbst zu fertigen und baubiologisch unbedenklich. Abgesehen von den Mitbewohnern in Insektenform. In solchen Siedlungen im Altiplano leben die Leute ohne Elektrizität nach dem Rhytmus der Sonne und den Jahreszeiten. Dafür kennen sie kaum Stress, Kriminalität und Zivilisationskrankheiten. Getreide- und Kartoffelanbau, die Zucht von Schafen, Kühen und Lamas bilden die Lebensgrundlage.
Der Markt in Puno zeigt einmal deutlicher, dass wir uns im Land der
Kartoffel befinden. Beim Anblick von Käse kommt ein bisschen Heimweh auf,
aber dieses Milchprodukt esse ich lieber nicht, weil ich meine Magenverstimmung
erst gerade überstanden habe. Als Heimwehersatz gibt es erfreulicherweise
Toblerone.
Welch verdächtige Ruhe in der Stadt! Beim Frühstück erfahren wir
weshalb. Die öffentlichen Verkehrsmittel streiken und der Individualverkehr
macht hier nur rund zehn Prozent aus. Glücklicherweise wollen wir erst am
nächsten Tag nach Arequipa weiterreisen und haben unsere Bustickets schon
gekauft.
Bei aufklarendem Himmel streifen wir zu Fuss zum Hafen um ein Rundfahrt zu den
Uros, den schwimmenden Inseln auf dem Titicacasee zu machen. Diese bestehen aus
einer Binsenart, welche überall wächst. Alle vierzehn Tage wird eine
zirka zwanzig Zentimeter starke Schicht oben kreuzweise nachgelegt, um das unten
wegfaulende Material zu ersetzen. Die Schritte beim Gehen auf den Binsen federn
angenehm ab und ich nehme noch nicht wahr das alles schwimmt. Erst als ich einen
Aussichtsturm in der Siedlung besteige, merke ich wie derselbe leicht schwankt.
Die Leute leben vom Fischfang, vom Tauschhandel und heutzutage natürlich
von Verkauf ihrer handwerklichen Erzeugnisse an Turisten und Bootsfahrten mit
ihnen. Wie auf den Fotos zu sehen besteht fast alles aus den Binsen, auch die
Boote welche heute noch teiweise in Gebrauch sind. Ein Monat Arbeit steckt in
einem Schiff dieser Grösse. Als wir nach drei Stunden wieder landen überrascht
uns erneut die für Peru ungewöhnliche Ruhe in den Strassen welche
aber keine Stunde später von heftigem Regenfall gestört wird. Zum
zweiten Mal Glück gehabt!
Bei der kurzweiligen Fahrt gestern über den Altiplano Richtung Pazifik
kam nach drei Stunden endlich der schneebedeckte Gipfel des Vulkans Nevado in
Sicht. Das hiess dass das Ziel Arequipa kann nicht mehr weit sein kann. Diese Gipfel
wurden übrigens als erste von Schweizern mit Skiern befahren. Im ewigen Eis Berge
wurden Eismumien gefunden. In der alten Kultur wurden Menschen unter den Gipfeln
den Göttern überlassen um die Gegend vor Erdbeben und Eruptionen der
Vulkane zu verschonen.
Der Name "die weisse Stadt" wie Arequipa auch gennant wird rührt
daher, das viele Bauwerke aus weissem Lavaschaum gebaut sind. Hier "unten"
auf 2300 Metern sind die Temperaturen wie von uns ersehnt angenehm sommerlich.
Heute haben wir uns ein wenig die Kolonoalbauten zu Gemüte geführt.
Eindrücklich ist das Kloster Santa Catalina, welches abgeschottet von der
umgebenden Stadt über vierhundert Jahre mit seinen Gassen wie die Kopie eines
andalusischen Dorfes wirkt. Je nach sozialer Herkunft der Nonnen waren die Zellen
entweder richtige Wohnungen, oder aber ein kleinbefenstertes Loch von wenigen
Quadratmetern. Das Kloster ist ebenfalls aus weissem Lavaschaum erbaut und teilweise
ziegelrot und indigoblau bemalt.
Beim Ausruhen auf der Plaza Mayor von Arequipa ist uns wieder etwas typisches
aufgefallen. Fotografen, welche mit Sofortbildkameras hauptsächlich Kinder
auf Wunsch ihrer stolzen Eltern ablichten. Amüsiert beobachten wir dabei,
wie die Beteiligen mit allerlei Aufwand versuchen die Aufmerksamkeit der Kinder
in Richtung Kamera zu lenken.
Scheinbar müssen wir mit unserem Mietauto jeden Tag zirka hundert Kilometer
falsch fahren. Gestern wollten wir auf dem Weg von Arequipa zur Küste in
einem Flusstal Petroglyphen ansehen. Trotz Renis Hinweis auf die mögliche
Abzweigung, fahre ich aber fünfzig Kilometer zu weit. Also zurück und
nach kurzer Durchquerung des Tales auf einem Plateau über der Flussoase in
der Wüste die um 700 n. Chr. von den Wari bemeisselten Steine
besichtigen. Alle zirka fünftausend auf mehreren Quadratkilometern
verstreute Felsbrocken wollen wir vom sandgetränkten Wind gepeitscht dann
doch nicht anschauen.
Bei Anbruch der Nacht, nach zweihundert Kilometer Fahrt auf der Küstenstrasse
erreichen wir endlich unser Ziel am Pazifik, Puerto Inka. In dieser kleinen Bucht
befand sich tatsächlich der Hafen der Reichshauptstadt Cuzco. Mit sich alle
sieben Kilometer abwechselnden Läufer hatte der Herrscher in vierundzwanzig
Stunden frischen Fisch auf dem Tisch. Wir auch, aber bereits nach einer Viertelstunde.
Zur Erholung von der langen Fahrt beziehen wir in perfekter Idylle ein Bungalow
direkt über dem Rauschen des Meeres.
Wir fahren weiter entlang der Küste durch eine teilweise unwirklich wirkende
Szene. Fünfzig Meter links von uns befindet sich das Meer. Trotz des vielen
Wassers sehen wir aber wegen einem Sandsturm der gegen das Landesinnere fegt die
Strasse und den Gegenverkehr kaum. Von einer Beschreibung in unserem Reisebuch
gelockt meinen wir hundert Kilometer weiter nördlich etwas änliches wie
in Puerto Inka vorzufinden. Das erweist sich aber als teilweise Baustelle und so
ziehen wir weiter um in den Ortschaften entlang der Küste vieleicht etwas
Adequates zu finden. Die laut Karte neun Kilometer Distanz zum nächsten Dorf
sind tatsächlich fünfunddreissig und enden in einer Bergbausiedlung am Meer.
Der nächste Ort fünfzehn Kilometer weiter erweist sich gar als
metalurgischer Komplex. Die Summe mal zwei ergibt die erwähnten täglichen
hundert Kilometer Fehlfahrt.
Da die Strasse nun lange nicht mehr der Küste entlang verläuft,
nächtigen wir in Nazca. Der Ort, welcher den Linienzeichnungen ausserhalb den
Namen gab. Auf halbem Weg dorthin ins Landesinnere halten wir kurz bei einem
präinkaischen Friedhof, welcher von Grabräubern total verwüstet
wurde. Mumienreste, Stoff und Gebeine liegen auf hunderten Meter verstreut herum.
Kein heimeliger Eindruck.
Da solide Angebote (Flüge) zur Besichtigung der Nazca-Linien länger
ausgebucht sind, und alle Anderen suspekt erscheinen, bleiben wir am Boden
bestaunen die Linien in der Ebene von einem Hügel aus. Die Ausdehnung der
Scharrbilder sind kaum zu fassen. Während wir uns umsehen kreisen unablässig
Kleinflugzeuge mit Turisten über unseren Köpfen um die bekanntesten Figuren
zu sehen. Wieder haben wir ein sogenanntes Highlight Perus nicht ganz gesehen.
Nach einigen Abstechern zu kleineren Sehenswürdigkeiten die am Weg liegen,
logierten wir in einer Oase bei der Stadt Ica. Hier in mitten riesiger Dünen,
hat man wirklich das Gefühl in der Sahara zu sein. Wie schon erwähnt ist
die peruanische Pazifikküste ein bis an die Anden von Flussläufen unterbrochener
Wüstenstreifen. Um Ica befindet sich das Hauptanbaugebiet von Wein welchen wir
verköstigen können. Auch wird ein Grappa produziert, der Pisco heisst
und mit dem der Nationaldrink Pisco-Sour gemixt wird. Vom Inland führt die
Panamericana uns zurück an die Küste in den Nationalpark von Paracas.
In dieser trotz der vom Meer umgebenen staubtrockenen Halbinsel lebte das Volk
der Paracas. Das Trinkwasser bezogen sie aus den raren Grundwasservorkommen. Die
im Säuglingsalter vorgenommen Schädelverformungen diente
zur Erkennung der Stammeszugehörigkeit. An fast fünfzig Prozent der
gefundenen Schädel dieser Volksstämme sind Operationsöffnungen
(Trepanationen)zu sehen.
Wir geniessen in Paracas unseren ersten Ruhetag am Strand. Vor unserer Weiterreise
schippern wir noch per Schnellboot zu den zum Schutzgebiet gehörenden
Ballestas-Inseln. Auf dem Weg dorthin sehen wir das Candelabro , ein vierzig mal
sechzig Meter grosses Scharrbild das wahrscheinlich nicht von den Urkulturen
stammt. Weit vor der Ankunft bei den Inseln schlägt einem ein unglaublicher
Gestank von Vogelmist, dem Guano, entgegen. Dieser wird schon seit Jahrtausenden
als natürlicher Dünger abgebaut. Der kalte Humboldt-Strom entlang der
peruanischen Küste speist eine immense Nahrungskette. Die Inseln sind voll
von Vögeln, Pinguinen und Seelöwen. Die Seelöwen übertreffen
den von den Vögeln verursachten Lärm noch. Unsere Vorsichtsmassnahme
ohne Frühstuck auf das Meer zu fahren stellt sich dank des ruhigen Seegangs
als unnötig heraus.
Für die letzten zwei Tage vor der Rückkehr nach Lima wollen wir
zum Ausspannen noch eine gediegene Unterkunft am Meer beziehen. Dieses Unterfangen
gelingt nur teilweise. Die Gebäude sind entweder Ressorts, Privateigentum
oder zu billige Unterkünfte. Eine brauchbare Kammer und einen anständigen
Strand haben wir trotzdem ausfindig gemacht. Das Meer ist aber dank der eingeleiteten
Abwässer alles andere als sauber und verleitet nicht zum Baden. Immerhin kehren
wir nicht allzu bleichgesichtig (der Sonne und nicht des Drecks wegen) heim.
Unsere Fahrt hinein nach Lima müssen auf den Hauptstrassen bewältigen.
Jetzt am Samstag Nachmittag sind alle sechs Spuren der Autobahn Richtung Süden
geöffnet um den gestressten Bewohnern Limas die Erholung an den Stränden
zu ermöglichen. Diesmal übernachten wir im Turistenviertel Miraflores.
Sicher, sauber, alles notwendige in der Nähe. An der steil abfallenden
Küste vor Miraflores steigen regelmässig Gleitschirme zu Tandemflügen
auf. Die von den Klippen nach oben abgelenkte Brise bietet ideale Verhältnisse
dafür.
Der zweitletzte Tag der Ferien ist schon bald vorrüber. Da heute die Museen
geschlossen sind, sehen wir uns das historische Zentrum
an. Die Bauten wirken wenig elegant und recht neu. Kein Wunder, die regelmässigen
Erdbeben erfordern eine massive Bauweise und haben kaum ein Gebäude mehrere
Jahrhunderte überstehen lassen. Auf der Suche nach günstigen Kaufgelegenheiten
sind wir noch einiges herumgestreift. Mit leicht geschwollenen Füssen werden
wir diesen Abend keine grossen Sprünge mehr vollbringen und relaxen
bei einem Kinobesuch.
Den letzten Tag vor dem Heimflug um neun Uhr Abends nehmen wir uns noch ein Zeit,
zwei Museen zu besichtigen. Einige der wichtigsten Exponate des Landes befinden sich
in der Haupstadt. Erschreckt stellen wir fest, dass wie in Lateinamerika üblich
das Geld alles möglich macht. Private Sammler besitzen meist eine eindrücklichere
Sammlung an historischen Gegenständen als staatliche Museen. Mit dem Kauf
der in den meisten Fällen aus Raubgrabungen stammenden Exponate haben sie eine
wissenschaftliche Rekonstruktion vielfach verhindert. Raubgräber sind nur am
Mammon intressiert und wühlen ohne Rücksicht auf kleinste Hinweise zur
Kulturentwicklung in historischem Terrain.
Wir hoffen entgegen der oberflächlichen Jagd nach Sensationen etwas
gründlicher geschürft, und so vielschichtigere Einblicke gewonnen
zu haben.