Meine gefahrenen Etappen in Grün
Alles ist wie üblich minutios vorbereitet und ich schwinge mich um 7.30 Uhr auf das Motorrad. Leider wieder mal alleine.
Irgendwann wird sich schon mal wer finden der mitkommt. Das Wetter ist entgegen meiner Befürchtung besser als gedacht und der
Morgenverkehr auch nicht allzu heftig. So bin ich schon bald in Basel und passiere die Grenze. Nun kann ich den Hahn etwas
mehr spannen als in der Schweiz. Die Geschwindigkeit pendelt sich bei 140 ein. Es könnten mehr sein da in Frankreich
eigentlich nur von vorne geblitzt wird. Da ich nicht auf der Flucht bin und gesund heim kommen will ist das gut so. Auf
der Autobahn geht es über Strasbourg, Metz und Reims Richtung Calais. Die nächsten achthundert Kilometer sind nur
durch drei Tankstops und dem Verzehr zweier Äpfel unterbrochen. Einzige Abwechslung ist eine heftiger Schauer kurz vor dem
Ziel. So ist nun auch mein neues Textilkombi getestet.
Etwas benommen steige ich gute sieben Stunden später vor dem Hotel im Zentrum von Gravelines ab und beziehe mein Zimmer.
Das Wetter ist gut und ich erkunde ein wenig das von Wassergräben und Wehrmauern umgebene Städtchen. Danach schlendere ich
in zwanzig Minuten den Verbindungskanal entlang zu Meer und schiesse weitere Fotos. Mein Aufenthalt an der Küste ist
nicht sehr lange da sich Wolken zusammenziehen und ich ohne Regenschutz unterwegs bin. Allzuviel gibt es ja auch nicht
zu sehen. Die Beine vertreten tut nach dem langen Sitzen auf jeden Fall gut. Die Drohung der tiefhängenden Wolken bleibt
leer und ich komme trocken zurück im Hotel an. Noch etwas schreiben und essen und dann zu Bett. Morgen geht es über
den Kanal zu meinem nächsten Ziel.
Dank dem Tempur Reisekissen schlafen alte Männer gut. Von den Dimensionen her ist es zwar nicht feudal aber besser
als mit Nackenschmerzen zu erwachen. Das Frühstück lasse ich aus. Vielleicht verstehen sich der Seegang und mein Magen
nicht. Eigentlich will ich die Fähre um 7.45 erreichen. Daraus wird wohl nichts da bei Abfahrt vom Hotel die
Reserveleuchte angeht. Das Risiko auf der Autobahn nach Calais stehen zu bleiben ist mir zu gross und so verlasse ich
diese schon bald für Treibstoff. Bei einer Spedition frage ich wo es welchen gibt und sehe wie Leute von den LKW's
weggeschickt werden. Calais kann nicht mehr zu fern sein. Langsam befürchte ich bald stehen zu bleiben finde dann doch
noch endlich eine Tankstelle. Die Zufahr zum Fährhafen gleicht einer Hochsicherheitsschleuse. Unzählige Polizisten sichern
den Korridor mit den Lastwagen. Hinter dem meterhohen Zaun ist die Siedlung aus Palstikplanendächern der Flüchtlinge
zu sehen. Eine unglaubliche Szene. Ich fahre unbehelligt weiter und muss dann noch die Passage kaufen. Diese kostet
65 Franken. Die Fähre um 7.45 verlässt den Hafen. Die nächste geht um 8.40 Uhr. Da werde ich mitschippern.
Dank wenig Verkehr geht das Beladen des Schiffs zügig von statten. Pünktlich verlassen wir den Hafen. Der Himmel
ist bedeckt und der Seegang schwach. So beisse ich in mein mitgebrachtes Brötchen und einen Apfel und behalte beides
bei mir. Nach eineinhalb Stunden legen wir nach Zehn Uhr an. Dann heisst es Navi auf die Zieladresse einstellen und
konzentrieren. Der Linksverkehr ist ungewohnt und wird es wohl auch noch etwas länger bleiben. Die heutige Etappe
dauert rund drei Stunden und ist alles Autobahn. Nach einer Stunde bin ich an den Aussenbezirken von London und
unterquere die Themse westlich der Hauptstadt. Das Verkehrsaufkommen ist immens. Acht Spuren voller Fahrzeuge, aber
es rollt. Das einzig Spannende, besser gesagt Herausfordernde, ist wie erwähnt die Linksfahrerei bis zum Ziel.
Das Hotel ist schnell gefunden und ok. Nur der renovierte Raum und die alten Möbel sind wie die Faust auf's Auge.
Entweder mögen es die Briten etwas rustikal oder das Budget war erschöpft. Vielleicht auch beides was der Kette
sicher entgegen gekommen ist.
Es fröstelt mich und nach dem Mittagessen schlendere ich durch das Einkaufsquartier. Zuerst kaufe ich eine SIM-Karte
um den Roaminggebühren ein Schnippchen zu schlagen und dann noch einen Pulli.
Ich war nicht unbedingt sehr optimistisch was das Wetter angeht, aber von 30 Grad zu Hause nach 15 Grad in England
muss ich erst verkraften. Wie einige Einheimische in kurzen Hosen und Leibchen herumlaufen ist für mich etwas
befremdlich. Naja, Kälteempfinden ist halt etwas Individuelles.
Sieben Stunden Durchzug vom Wind und wackelnde Ohren vom Lärm reichen für heute und auch dieses Jahr. Nach zweimaligem Besuch der
Nitrolympix in Hockenheim ist das Europafinale des Dragracing in England ein interessanter Kontrast. Schon die
Kulisse unterscheidet massiv von Hockenheim. Dort riesige Tribühnenanlagen hier ein überschaubarer "Grandstand"
gegenüber einer Naturtribühne. Gelassener englischer Motorsportenthusiasmus gegen deutsche Grossanlassorganisation.
Doch bevor ich zu meinem Heimweg komme, eine kleine Rückschau.
Bis auf eine besoffene Nachteule die mitten in der Nacht eine Gesangseinlage startet schlafe ich perfekt. Zum Glück
gibt es nicht nur nur Würstchen und Eier zum Frühstück und ich kann mich stärken. Der wohl aus Indien stammende
Rezeptionist kann mir keine bei Santa Pod gelegene Ortschaft nennen da mein Navi das ehemalige Flugfeld nicht kennt.
Er ist wohl eher kricket- oder fussballorientiert. Sein Kollege nennt mir Podington, was mir hilft. Endlich sehe ich
mehr von der englischen Landschaft als nur die Autobahn. Zugegeben, die allgegenwärtigen Hecken versperren öfters die Sicht
aber es gibt doch einiges zu sehen. Auch typische herausgeputzte Dörfer in denen locker Inspektor Barnaby gedreht
worden sein könnte. Ich geniesse das auf- und ab der winkligen Strasse und den Sound meiner Aprilia beim Schalten.
Nach einer halben Stunde bin ich vor Neun am Ziel. Gerade recht zu den ersten Läufen. Nach einem kurzen Rundgang lasse
ich mich auf der kaum besetzten Tribühne nieder. Wie schön ist es warme Motorradkleidung zu tragen. Die gelegentlich durch
die Wolkendecke scheinende Sonne kommt gegen die frontal wehende Dauerbrise nicht wirklich wärmend an. Egal, ich bin
nicht wegen des Wetters, sondern heute der Motoren wegen hier. Von denen gibt es genug insbesondere da es die Europafinals
sind. Sogar sieben Top Fuel Dragster sind am Start. Bis um Ein Uhr halte ich es aus. Beim Gang auf das Klo kaufe ich mir
noch ein Pulli mit dem Logo und erspähe einen alten Plymouth Roadrunner. Gerade kommt der sechzigjährige Besitzer
vorbei und gibt mir bereitwillig Auskunft. Nur einige Kilometer von hier aufgewachsen, erinnert er sich wie das
Flugfeld 1966 in den Dragstrip verwandelt wurde und er mit 15 Jahren sein erstes amerikanisches Auto kaufte und nach
Hause fuhr. Ohne Führerschein. Die amerikanischen Besatzer konnten damals ihre Autos gratis nach England bringen aber
nicht mehr kostenlos heim nehmen. So blieben unzählige auf einem nahen Autofriedhof wo er seinen ersten Wagen kaufte.
Bis heute sind es 46 gewesen wie er berichtet. Dieser Plymouth war schon immer ein Rennwagen und er konnte ihn erst
kürzlich kaufen und sogar für die Strasse zulassen. Bis auf den wohl achten Motor sei ziemlich alles original.
Heizung und Servolenkung sowie Radio hatte er nie da schon immer als Rennwagen konzipiert.
Noch einmal trotze ich drei Stunden Wind, Lärm und Gummiqualm. Also erlich gesagt geniesse ich bis auf den Wind
wirklich alles. Das Geschehen läuft sehr entspannt ab was mir wirklich gefällt. Auch wird mehr applaudiert was ich
dem englischen Sportgeist zuschreibe. Noch einmal durchstreife ich ein wenig das Fahrerlager und schwinge mich dann auf
mein Motorrad. Zurück in Bedford beschliesse ich beim Nachtessen morgen weiter nördlich nach York zu fahren. Ein
kommendes Hoch verspricht auch ein Grad höhere Temperatur als die 13 Grad heute!
Wie geplant geht es heute nach York. Wieder zweieinhalb Stunden bei zehn Grad auf der Autobahn. Ich zweifle ob mein
Plan richtig ist und werde auf jeden Fall nicht mehr weiter in den Norden fahren. Obwohl es dort scheinbar nicht kälter
als in York sein soll. Aber trotz guter Kleidung macht es so nicht wirklich Spass. Voraussichtlich fahre ich von hier
dann quer nach Osten nach Wales.
Um Mittag komme ich an. Mit Glück finde ich ein günstiges Zimmer im Hotel Ibis. Es kostet 75 Franken. Aber nur
weil es heute nicht mehr vermietet werden kann. Sonst wäre es das Doppelte. Alle anderen Zimmer in der Gegend
kosten um die hundertvierzig Franken da heute Samstag ist. Dann werden Sie wieder billiger. Ganz der Nachfrage
entsprechend. Ich habe Zeit und will mir das Zentrum und das Museum ansehen. Die Fussgängerzone der Innenstadt ist
voller Einheimischen und Touristen. Im historischen Museum ist
es deutliche ruhiger. Am meisten interessiert mich die Phase der Wikinger welche die Geschichte einige Jahrhunderte
prägten. Der Name der Stadt leitet sich aus dieser Zeit vom Namen Jorvik ab. Nach einer Stunde habe ich das wichtigste
gesehen. Weiter geht es zum Münster. Der riesige Sakralbau zeugt noch davon dass York einst die zweitwichtigste Stadt
in England war. Der Eintritt kostet 10 Pfund und ist ein ganzes Jahr gültig, was mir aber wenig nützt. Darum lasse ich es
bleiben. Die meisten Geschäfte in der Altstad sind Pubs, Cafes und Läden mit Krimskrams. Das Interessante sind aber die
alten Fassaden der Häuser. Ganz Alte sind noch mit Fachwerk ausgeführt, neuere Bauten aus Backstein. Bachsteinbauten
dominieren sowieso die in dieser Gegend vorkommende Architektur. Was mich als gelernten Maurer natürlich freut. Mehr
weiss ich heute nicht zu berichten darum noch einige Bilder.
Endlich was ich nach den grauen Tagen brauche! Ab zehn Uhr stalblauer Himmel und am Nachmittag sollen es gegen
achtzehn Grad werden. Der heutige Plan beinhaltet den Besuch von Fountains Abbey, eines verfallenen Klosters mit angrenzendem
Park und danach ein in den Berghang gescharrtes Pferdebild. Die halbe Stunde Fahrt ist ein Genuss durch die englische Landschaft.
Nur der Linksverkehr erfordert nach wie vor Konzentration. Da mit dem Motorrad angereist bezahle ich nur den halben Preis.
Also gute sechs Pfund anstelle der normalen 12. Wie es sich für ein UNESCO Weltkulturerbe gehört ist alles tiptop
eingerichtet und gepflegt. Einen kurzen Spaziergang von Eingang entfernt liegt die alte Abtei in einem kleinen Tal
mit Bach. Praktischerweise sind die umliegenden Hänge aus Sandstein und boten so genügend Baumaterial. Gegründet
wurde das Kloster im Jahre 1132 auf den Mönchen geschenktem Boden. Selbstverständlich konnten diese sich nicht in
ein gemachtes Nest setzen sondern trotzden der Natur alles mit ihrer Arbeitskraft ab. Die ersten Jahre überstanden
sie nur dank Gaben der Obrigkeit und anderer Glaubensgemeinschaften in Europa. Zur Blütezeit konnte das Kloster mit
Wolle ein vermögen machen und so etliche Ableger gründen. Doch auch dann verlief das Leben nicht immer reibungslos.
Hungersnöte, Kriege und die Pest welche an zwei Drittel der Mönche dahinraffte machte dem Kloster zu schaffen. Auch
Machtspiele und Intrigen setzten dem Kloster zu und führten schliesslich zu dessen Niedergang vor runddreihundert
Jahren. Die Bauten waren dem Verfall geweiht. Der angrenzende Park wurde um 1780 angelegt und galt damals als einer
der schönsten in England. Heute wird versucht etliches im Park wieder in den ursprünglichen Zustand zu bringen.
Nach dem Lesen der Erklärungen in einem Pavillon mit einem Holzmodell schlendere ich die wärmende Sonne geniessend
durch die Ruinen der Abtei. Etliche Leute tun es mir gleich oder haben sich für ein Picknick auf dem saftigen Rasen
niedergelassen. In drei Stunden habe ich den Rundgang abgeschlossen und unzählige Fotos geschossen.
Das nächste Ziel ist das Pferd von Kilburn. Das Bild ist leider nicht von den Kelten sondern wurde um 1850 im Auftrag
eines Landadligen anglegt. Eine kurze Pause später fahre ich Überland in gemählichem Tempo York entgegen. Den retlichen
Spätnachmittag streife ich noch einmal durch die nun weniger personengefluteten Gassen der Altstadt und lasse mich bis
zum Abendesessen am Flussufer nieder und beobachte das Geschehen.
Drei Stunden Etappen scheinen das Richtige zu sein. Heute von York nach Caernarfon in Wales. Vorbei an Manchester
und Liverpool. Um Manchester kämpfe ich mich durch den Stau und verliere einige Zeit. Aber wie stand es dort am
Strassenrand; "Better slow and arriving save". Voller Stolz kann ich nun verkünden dass ich nach Manchester den
Kulminationspunkt aller englischen Autobahnen überwunden habe. Dieser höchste Punkt liegt ganze 372m über dem
Meeresspiegel! Liverpool nehme auf dem weiteren Weg ich nicht einmal aus der Ferne war. Dann geht es der Küste
entlang bis zum Ziel. Wie immer ein Thema ist das Wetter. Es scheint beinahe schon die Sonne. Gut so. Ich nehme
ein einfaches Zimmer in einem B&B für 60 Franken mitten in den alten Stadtmauern. Es ist Ein Uhr und ich habe Hunger.
In einem Pub an der Promenade esse ich Etwas. Kaum lege ich das Besteck beiseite landet schon eine Möwe auf dem Bank
und will an die Reste. Es ist Nachdruck nötig um sie zu verscheuchen. Als ich aufbreche und einige Meter entfernt bin
stürzen sich etliche Möwen mit wilden Gekreisch auf den Teller. Ich höre Geschirr und Besteck auf den Boden fallen
und gehe weiter. Ein Szene wie bei Alfred Hitchcock!
Auf in die Burg. Der Bau wurde im Jahr 1283 zur Sicherung der durch die Normannen neu eroberten Gebiete durch Edward I
begonnen. Mit ihr noch einige mehr da sich die aufsässigen Waliser nicht einfach so unterkriegen liessen. Mit seinem
hier geborenen Sohn Edward II wurde der erste nicht Waliser zum Prinzen von Wales gekührt. Der bisher letzte war im Jahr
1969 der Königssohn mit den abstehenden Ohren namens Charles. Einzigartig an diesem Bau sind die meist unregelmässig
achteckigen Türme. Schön ist, dass in der gut erhaltenen Festung beinahe alles zugänglich ist. Ich habe schon eliches
besucht aber das auf und ab, hinten rum und vorne durch ist teilweise verwirrend und doch spannend. Ein wahres Labyrinth.
Die Kammern sind nicht angeschrieben uns so ist es nicht immer klar zu erraten was Aufenthaltsräume, was Küche oder auch
Abort war. Beeindruckend ist der für den königlichen Aufenthalt hergerichtete Turmsaal mit seinem massiven Eichenbalken.
Auch wenn dieser nachweislich nie richtig benutzt wurde. Es war scheinbar schon damals so. Schön zu wissen dass man
es hat, auch wenn man es nie braucht! Ich pausiere auf einigen Treppenstufen in der Wiese. Die Führerin einer
Touristengruppe erklärt im Vorbeigehen deutlich früher sei das Betreten des Rasens nicht erlaubt gewesen. Warscheinlich
weil "Dumbo" anno 69 mit seinen royalen Füssen darauf herumgetrampelt ist.
Nach der Besichtigung der Burg sehe ich mir noch etwas den Ort und den Hafen an. Caernarfon ist zugegebenermassen ein
richtiges Provinzkaff. Einzig reizvoll finde ich noch die Lage am Meer. Ohne Touristen schiene hier ziemlich das Ende
der Welt. Gegen Spätnachmittag kommt die Flut. An der Flussmündung steht eine Drehbrücke die sich gerade für ein
zurückkehrendes Fischerboot bewegt. Das muss ich festhalten. Darauf etwas Pasta in einem Lokal gegessen und dann zurück
zur Unterkunft marschiert. Da realisiere ich das an meinem Töff das Standlicht brennt. Elende Zündschlossschaltung!
Keine Ahnung wer so was braucht und erst recht nicht wer so was erfunden hat. Wer lässt schon extra das Licht brennen
um dann sein Fahrzeug nicht mehr starten zu können? Glück gehabt.
Nun liege ich auf dem Bett und schreibe nach der Planung für die morgige Etappe nach Bath den heutigen Bericht. Nebenbei
läuft der Fernseher mit walisischem Program. Ich verstehe zwar kein Wort aber tönt spannend...
Was für ein Morgen. Der blaue ist Himmel wie bestellt für meine Fahrt über die walisischen Berge. Die Nacht im
B&B war ruhig. Phill, der den Laden für die Besitzer schmeisst scheint manchmal etwas verwirrt ist aber ein lustiger
und hilfsbereiter Kerl. Nach etlichen Schnitten Toast mit der Bitterorangenmarmelade welche ich liebe geht es los. Was
mich nun erwartet ist die bisher beste Fahrt. Eineinhalb Stunden kurven durch die Berge. Vorbei an Wales höchstem
Berg, dem Snowdon und Schiefersteinbrüchen. Dann durch eine Gegend die an den Schwarzwald erinnert. Was mir wirklich
auffällt ist dass das Grün wirklich so saftig ist wie man es auf den Fotos wahrnimmt. Es ist schon beinahe kitschig.
Wieder im Flachen fängt mich Nebel ein. Immerhin das erste Mal in England. Was wäre der Herbst in England ohne
Nebel! Nicht das ich das gebraucht hätte aber muss wohl sein. Der Nebel wechselt zu Wolken als ich vor Birmingham
auf die Autobahn gelange. Der obligate Stau lässt nicht lange auf sich warten, ist aber nicht zu heftig. Um zeitig
in Bath anzukommen bleibe ich auf der Autobahn. Das Hotel habe ich schon gebucht. Mein Zimmer ist teuer und schön.
Auch die Sonne scheint wieder. Perfekt. Eigentlich müsste ich hier in den Thermen baden gehen. Heute reicht aber
Zeit nicht mehr. Noch bin ich nicht schlüssig ob ich morgen bleiben und baden gehen soll, oder weiter nach
Salisbury in die Nähe von Stonehenge. Mal sehen was sich an günstigeren Unterkünften bietet. Es ist ja alles nicht
sehr weit von einander entfernt.
Mit Wehmut verlasse ich mein edles und modernes Hotelzimmer. Aber 150 Franken sind zuviel des Guten. Nun habe ich
in einem Motel ausserhalb für die Hälfte gebucht. Devizes liegt in guter Nähe zu Stonehenge und anderer prähistorischer
Stätten. Weil das Zimmer erst um 15 Uhr bezugsbereit ist sehe ich mir den Tag hindurch noch etwas die Gegend an. Bath
liegt schnell hinter mir und ich kurve rund eine Stunde Richtung Südwesten nach Glastonbury. Das Navi hat zwar Vorteile
was die Orientierung betrifft, ist aber nicht ohne Tücken. Erstes betrifft die Eingabe von Adressen. Nicht jede
Anschrift ist vorhanden und so lande ich rund 2 Kilometer abseits des Ortes. Obwohl ich schon anhand der Schilder
stutzig wurde. Auch das flüssige Mitfahren im Linksverkehr und gleichzeitige im Auge behalten des Display ist fordernd.
Immerhin komme ich durch Nachfragen in Kontakt mit den Leuten. Schlussendlich finde ich das Ziel dann.
Glastonbury Abbey ist ein altes verfallenes Kloster und mit dem Park ein beliebtes Ausflugsziel. Der Ort profitierte
früher von Spekulationen um die Arthus Saga wofür sich aber keine Belege fanden. Nachweislich wurde König Arthur I hier
begraben. Meine Tasche möchte ich an de Kasse abgeben was aber im Terrorwahn nun scheinbar nicht mehr möglich ist.
So schleppe ich sie mit. Nachdem was ich in Fountains Abbey gesehen habe reisst es mich hier nicht gerade vom Sessel.
Hübsch, aber bei weitem nicht so gross und eindrücklich. Das Museum ist dafür etwas besser und detailierter in den
Beschreibungen. In einer Stunde bin ich durch.
Es geht weiter. Ich halte Ausschau nach einem Turm auf einem Hügel den ich schon von weitem gesehen habe. Er ist
nicht auszumachen aber die ungefähre Richtung weiss ich und er muss in der Nähe sein. So orientiere ich mich an den
braunen Schildern für Sehenswürdigkeiten und folge jenem mit dem Turm und der Beschreibung "Tor". Könnte heute Tower
heissen. Nach einigen
Minuten bin ich am Fusse des Hügels auf welchem der "Tor" steht. Im Vertrauen auf fehlendes Gesindel am Nebenpfad
hoch zum Turm lasse ich die Tasche fetgezurrt auf der Sitzbank. Alle elektronischen Geräte sind ehedem immmer im
Koffer eingeschlossen. Ich müsste also bei Diebstahl die restlichen Tage mit den gleichen Unterhosen auskommen.
der Aufsteig über die Wellen des Hügels ist schnell vollbracht. Die Wellen stammen von den horizontalen Schichten
des Untergrundes aus Sandstein und Kalk. Da beide nicht gleich schnell verwittern ergibt sich die treppenartige
Struktur. Die Aussicht von der windigen Kuppe ist wirklich eindrücklich und die Landschaft Somersets liegt in sanft
geschwungenen Hügeln um mich herum. Der Turm stammt aus dem 16. Jahrhundert. Der Hügel wurde aber schon seit
Ewig genutzt. Es ist nun langsam Zeit für mich zur Unterkunft aufzubrechen. Wieder geht es über die
wellige Lanschaft. Diesmal nordwestlich. Die Leuchte der Tankreseve geht an. Ich habe doch schon wieder über 150
Kilometer gemacht. Mehr als erwartet. Aber wo lässt sich hier in der Pampa ein Tankstelle finden. Noch habe ich nie
die Reserve ausgereizt und will es hier nicht zum ersten Mal versuchen. So verlasse ich den vom Navi vorgegebenen Weg
bei der nächst grösseren Ortschaft und frage nach einer Petrol Station. Schon bald kann ich erleichtert für einen
vollen Tank bezahlen. Hier folgt der zweite Streich meines Navis. Ich fahre rund 500 Meter im Kreis um dann 30 Meter
neben der Tankstelle wieder in die selbe Strasse zu gelangen. Mit genug Benzin ist mir das nun beinahe egal.
Gegen Vier Uhr deponiere ich mein Zeug im Motel und starte zu Fuss zu einer Runde durch den Ort. Ich will mich
noch mit Essen versorgen um nicht wieder den Köstlichkeiten lokaler Pubs ausgeliefert zu sein. Schon bei Ankunft
ist mir der Kanal mit den Schleusen aufgefallen und ich mache den Umweg entlang desselben. Leider sind keine der
schmalen Wohnkäne in Bewegung und so werden auch keine der Schleusen betätigt. Dies ist an den Holzflügeln mit
mächtigen Hebeln von Hand zu bewerkstelligen. Wäre nett zu beobachten. Zurück im Motel esse ich draussen in der
Abendsonne das gekaufte Gemüse und die Früchte bevor es wieder ans Schreiben geht.
Da haben sie mir doch etwas Angst gemacht auf der Website von Stonehenge mit der Ankündigung besser das Ticket im
voraus zu lösen um Einalss zu haben. Ich lasse mich nicht beirren und fahre um Acht Uhr ab. Der nächste Dämpfer
ist die am Strassenrand angekündigte Vollsperrung kurz vor dem Ziel. Egal, immer stur auf der Strasse bleiben. Wenn
ich etwas auf meinen Reisen gelernt habe dann dass es sich immer eine Türe öffnet. So folge ich an der Strassensperre
zwei Wagen auf eine kleine Nebenstrasse im Vertrauen darauf das sie den Weg kennen. Und tatsächlich komme ich einige
Kilometer später wieder auf die selbe Strasse und kurz darauf in Stonehenge an. Perfekt! Die Kassen öffnen erst in
einer halben Stunde um Halb Zehn. Der Parkplatz ist noch beinahe leer. Mit einem Ticket der English Heritage kann
gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Erstens kann ich das jetzt schon kaufen und habe dann auch Zutritt
zu den anderen in der Gegend liegenden Museen und Fundorten. Mit dem ersten Bus fahre ich zum rund drei Kilometer
entfernten Henge. Die Nebel um das Palteau lichten sich endgültig und ohne Leute ums die Anlage ist es ein guter
Moment um Fotos zu machen. Beim Umrunden der der Steine höre ich mir die Audioführen an welche ich am Eingang
per App und gratis Wifi herunterladen konnte an. Es ist wirklich perfekt organisiert. Den Rückweg mach ich vorbei
an Grabhügeln und entlang der kilometerlangen Zeremonienstrasse zu Fuss. Um Elf zurück bei mMotorrad schwitze ich
schon beträchtlich. Stört mich nicht weil ich in letzter Zeit genug gefroren habe. Rasch fahre ich noch kurz zum
Ort wo die neuste Entdeckung von Sarsensteinen gemacht wurde. Diese liegen aber noch unter der Erde und so ist
nicht viel zu sehen.
Weiter geht es nach Avebury und umliegenden Altertümern. Die Landschaft ist voll von Grabhügeln und alten Anlagen.
Nur wird einem öfters die Sicht von den Hecken versperrt. Vorbei komme ich an einem weissen Pferd, halte dann am
Silbury Hill wo vor rund 4500 Jahren mit 250'000 Kubikmeter Material ein riesiger Hügel aufgeschichtet wurde.
Gehe zu Fuss zum noch älteren Wallgrab von West Kennet und gelange schliesslich nach Avebury. Einer Anlage mit Wall
und Graben von Rund 200 Meter Durchmesser, ehemals durchbrochen von vier Zugängen. Den innenliegenden Graben
säumten einst stehende Steine. In diesem Steinkreis waren noch zwei weitere Steinkreise angeordnet. Heute ist
ein Teil des Walls duch einen Gutshof gestört und viele der Steine wurden für den Bau der darin liegenden
Häuser zerbrochen. Durch die schnellen Aufzählung will ich nicht mit archäologischen Details langweilen. Da vieles
sowieso im Dunkeln der Zeit liegt kann und muss man sich der Fantasie und Magie der Orte hingeben. Etwas was
ich liebe und mir leicht gelingt. Zu guter Letzt finde ich mich im Museum von Devizes wieder. Diesen Tipp
habe ich heute morgen beim Download der App von einer Angestellten erhalten. Die Ausstellungsstücke in
Stonehenge seien eher die schäbigen Reste der Ausstellung von Devizes. Wie Recht sie hat. Vollkommen alleine
erkunde ich beinahe zwei Stunden alleine nur die der neolithischen Zeit gewidmete Abteilung und studiere alles
möglichst genau um immerhin eine Ahnung vom damaligen Leben zu bekommen. An der Kasse gerate ich ins Gespräch mit
der älteren Angestellten und vermute anhand ihres "th" dass es sich um eine Deutsche handeln muss. So ist es und wir
untehalten uns dann auf Deutsch weiter. Nach einem aufschlussreichen Gespräch über die hiesigen Zustände kommen wir
auf das Essen zu sprechen und sie empfiehlt mir unter anderem einen Inder im Ort. Ein guter Tip. Das Essen ist
vorzüglich und ein perfekter Abschluss für einen perfekten Tag.
Wieder zu Hause. Rund 3000 Kilometer und etliche Erfahrungen reicher. Anstelle mich über den Marathon des Heimwegs
auszulassen liegt mir eine Zusammenfassung meiner personlichen Eindrücke mehr am Herzen.
Bei meinen bisherigen Aufenthalten war der Kontakt relativ gering da die Dauer zu kurz um mehr zu wissen. Am
meisten überrascht bin ich über das "südländische Wesen" der Engländer. Ob es an der ehemaligen römischen Besatzung
liegt glaube ich nicht. Erstens liegt das schön zweitausen Jahre zurück und zudem sind nachher etliche Völker über
ehemals keltische Einwohner hereingebrochen. Erst die Norddeutschen Angeln und Sachsen und dann noch die
Wikinger. Möglicherweise liegt es aber genau an diesem dauernden Wandel welcher die britische Gelassenheit gefördert
hat. Möglicherweise auch das relativ schnell wechselnde Wetter. Abwarten und nicht übereilen ist allgemein verbreitet.
Dies spiegelt sich sicher auch in der sprichwörtlichen Höflichkeit wieder. Insbesondere im Verkehr ist mir das sehr
positiv aufgefallen. Drängeln und gar Hupen findet wenig statt. Also das fehlende Hupen wäre dann zwar atypisch
südländisch. In dieser abwartenden Zurückhaltung fallen dann auch die teilweise rückständige Infrastruktur. Besonders
was das Bauen betrifft. Vieles ist liegt um Jahrzehnte zurück. Die Gebäudedämmung, die Kanalisation und in den
Gebäuden allgemein ist vieles erneuerungsbedürftig. Nie werde ich mich an die einzelnen Hahnen für Warm- und
Kaltwasser gewöhnen. Hier stehen britischer Charme gegen Modernismus oder anders betrachtet; Wieviel der heute
auch von mir geschätzten Landschaft und Architektur wären ohne Schlendrian schon verloren gegangen. Abgesehen
vom dadurch vernachlässigten Umweltschutz für mich kein schlechter Zug. Im Weiteren zum südländischen Wesen gehören
für mich die Bereitschaft für einen kleinen Schwatz oder spontane Kommunikation sowie die Hilfsbereitschaft.
Im krassen Gegensatz dazu ist die allgegenwärtige, meist ausgewiesene, Überwachung. Kameras sind allenthalben
angebracht. Ob dies an einer hohen Kriminalität liegt weiss ich nicht und habe es auch nicht nachgeschlagen.
Auch wurde ich zum Glück von jeglichen Vorfällen dieser Art verschont. Zudem fröhne ich auf meinen Reisen
nie dem Nachtleben und so fehlt mir auch diese Perspektive. Der Umgang mit dem Datenschutz ist hier deutlich ein
anderer.
Sicher ist es speziell mit dem Motorrad die Insel zu bereisen. Mit Regen muss immer gerechnet werden und Berge
sind in etlichen Regionen Mangelware. Kurvige Strassen hat es jedoch zur Genüge und abseits der Ballungszentren
ist der Verkehr überschaubar und der Linksverkehr gut zu meistern. Ob mit Motorrad oder Auto. Ich habe
Gefallen an Land und Leuten gefunden. Es bietet natürlich für einen Fan von "alten Steinen" wie mich genügend
Anschauungsmaterial. Der kleine Abriss hat in mir auf jeden Fall den Wunsch mehr davon zu sehen geweckt.