Unsere Wege in Kuba in Rot
Schon einige Jahre spukte der Plan nach Kuba zu reisen in meinem Kopf herum. Umsomehr der greise Diktator wohl nicht mehr lange lebt und keiner genau weiss was nach seinem Ableben passiert. Ein weiterer Grund die Reise endlich anzutreten ist dem "in Mode kommen" des letzten wahrhaftig komunistischen Staates vorher auszuweichen. Ein weiterer Vorsatz ist das Fahrrad mizunehmen, um mindestens einen Teil des Landes damit zu erkunden. So kaufen Reni und ich für zirka dreihundert Franken Velos, die wir vor der Heimreise in Kuba lassen wollen. Durch die vierzehn Kilo des Fahrrads reduziert sich das zulässige Gewicht des restlich Gepäcks in der Air France auf elf Kilo. Die so eingeschränkten Utensilien verstauen wir in Fahrradgepäcktaschen.
Endlich unterwegs! Nach einem zwölfstündigen Flug landen wir in Havanna und werden zum ersten Mal mit dem System konfrontiert. Jeder Turist sollte eine Buchung eines Hotels im Zolldokument deklarieren. Wir haben aber die Adresse von Geschwistern deren Mutter und ältester Bruder in die Schweiz emigriert sind. Ein mulmiges Gefühl beschleicht uns. Trotzdem geben wir diese Anschrift an. Wie zu Hause abgemacht werden wir am Flughafen von einem der Geschwister abgeholt. Zu unserer Freude mit einem der alten "Amerikaner". Wir schleppen unsere Velos die enge Stiege in die vierte Etage hinauf, und fallen da es hier schon Nacht, ist erschöpft ins Bett.
Am nächsten Morgen baue ich die Fahrräder zusammen und wir fahren durch den im Vergleich zu anderen Haupstädten geringen Verkehr ins nahe gelegene alte Zentrum Habana Vieja. Dieser Recht gut für den Turismus unterhaltene Teil von Havanna unterscheidet sich massiv vom grossen Rest der Stadt, was uns aber erst richtig bei unserer Rückkehr auffällt. Zuerst wollen wir weiter in den Süden und kaufen spontan Flugtickets nach Baracoa. Der Transport unserer Velos geht nach Bezahlung eines kleinen Aufpreise leicht vonstatten. Während dem Flug bequatscht uns ein Priester einer uns unbekannten Sekte unentwegt und schwärmt von unsererm ersten Etappenziel.
Immerhin kommen wir durch seinen Tip zu einer passablen Unterkunft bei Privatleuten
in Strandnähe. Mit Übung schrauben wir die Fahrräder
zusammen und erkunden die nähere Umgebung. Nach dem Umfahren der Bucht bekommen
wir einen ersten Eindruck der Gegend und der Witterung. Die vorwiegend vom Atlantik
einströhmende Luft treibt permanent Wolken gegen die die Küste abschottende
Gebirgskette. Wir werden verregnet. Mit anderen unter einem Vordach das Regenende
abwartenden Leuten werden wir unverhofft in eine Stube gebeten. In der Schweiz unvorstellbar.
Hier in der ärmsten Region Kubas spielt sich das Leben noch ruhiger als sonst
schon ab. Der Verkehr verdeutlicht das eindrücklich. Zurück in der Unterkunft
werden wir gefragt ob wir dort Essen möchten und Languste genehm sei. Wir sagen zu.
Der offensichtlich schwer schwule "Koch" tischt uns ein üppiges Menu im
Hinterzimmer auf. Dort, weil Privatleute zwar Zimmer vermieten, aber kein Essen verkaufen
dürfen und schon gar keine Meeresfrüchte! Das ganze wird bei bekannt
werden mit Haft bestraft, der Handel und Verkauf damit ist Staatssache. Die Beilagen
sind kubanischer Landesstandard; Reis mit Bohnen, Tomaten und Gurken, als Getränk
der allzeit anzutreffende Guayabasaft . Alles mit zwei riesige Langustenschwänze
für fünfzehn Franken. Geschenkt !
Am nächsten besteigen wir Morgens unsere Räder um gegen den südwestlichsten
Punkt von Kuba Punta Maisi zu fahren. Unsere Kondition ist noch nicht ganz top
und so pausieren wir vor der Umkehr in der Nähe von Sabana. In dieser Gegend
leben die noch einzigen Ureinwohner, wir bekommen aber keine zu Gesicht. Begleitet
werden wir von einem Jungen dessen Anwesenheit uns erst später ganz klar wird.
Er ist ein sogenannter Jinetero, das sind meist junge Personen welche
durch Vermitteln von Turisten an Dienstleister eine kleine Provision erhalten.
In unserem Fall vom Getränkestand beim Halt. Um die Bezahlung unauffällig
zu gestalten gibt er vor seine Zigarette dort vergessen zu haben und kommt später
nach. Auf dem Heimweg werden wir noch Zeugen einer typisch kubanischen Getriebereparatur
mitten auf der Strasse, kein Problem bei der Verkehrsdichte! Den Abend verbringen wir
auswärts bei Livemusik und lernen den Mojito kennen. Ein Drink mit Rum, Pfefferminze,
Limetten, Zucker und Soda der uns noch bis zum heutigenTag "erfrischt".
Ein schöner Badestrand sechzehn Kilometer nördlich ist unser
nächstes Tagesziel. Der Weg dorthin ist aber weit schöner als der Strand.
Wir bekommen einen guten Eindruck vom kubanischen Leben. Vor allem die überall
frei lebenden Schweine sind ein ungewohnter Anblick. Wieder zurück
im Ort erfahren wir vom Casa de la Chocolate und trinken dort einen Kakao. Obwohl
hier überall Kakao wächst ist unser Gaumen eher an Nestlé als
an die recht roh produzierte kubanische Qualität gewöhnt. Der Vater
unseres Vermieters fragt uns nach Schmerzmitteln, weil sein Knie ihm heute besonders
weh tut. Eine halbe Stunde nachdem Reni ihm eine Pille gegeben hat meint er begeistert
seit Jahren sei es ihm nicht mehr so gut gegangen. Was ein Aspirin bewirkt! Beim
abendlichen Streifzug überrascht uns eine vor Leuten überquellende
Hauptstrasse. Da es Samstag ist spielt sich für uns noch nie Erlebtes ab.
Da werden selbstgemachte Speisen verkauft, Stereoanlagen aus dem Wohnzimmer vor
die Haustüre gestellt und jedermann tanzt und trinkt in der Stasse zu
Salsa und Merenge. So auch unsere Vermieter samt Hausangestellten. Unser Essen
ist eine Pizza aus einem modifizierten ölfass als Ofen für zehn Rappen.
Das einzige Mal das wir während der Reise mit normalen Peso bezahlen können.
Sonst beträgt der Preis für erkennbare Turisten das Selbe in Dollar oder
dem gleich teuren Peso Convertible. Unser Weiterkommen Tags darauf nach Santiago
de Cuba findet mit einem dreissig Jahre alten russischen Moskwitsch in Begleitung
von Mutter und Sohn von Bekannten unseres Vermieters statt.
Über die feuchte wolkenverhangene Kordilliere gelangen wir in eine eher savannenartige
Klimazone. In der Provinzhauptstadt Guantanamo legen wir eine Rast ein und sehen
die militärische Sperrzone der Amerikaner über Kilometer. In Santiago
angekommen ist das Zimmer an der vermittelten Kontaktdresse bereits vermietet.
So werden wir bei Angelita einquartiert. Etwas besseres hätte uns nicht passieren
können. Die zierliche blauäugige alte Dame direkter spanischer Abstammung
wird uns in allen Belangen verwöhnen. Hier erfahren wir mehr über die
Probleme der Bevölkerung und sehen diese mit Lebensmittelbüchlein stundenlang
für Brot und andere Dinge des Lebens anstehen. Momentan herrscht zudem Mangel
an Toilettenpapier und Seife!
Die ehemalige Hauptstadt Kubas liegt an einer zehn Kilometer ins Land reichende
Bucht und ist umgeben vom Gebirge. Das Zentrum ist überschaubar
und auf der Hauptplaza tummeln sich einige Turisten. Hier besuchen wir das
Haus von Velasquez, wo in dem noch existierenden Schmelzofen das Gold der
mittel- und südamerikanischen Raubzüge für die spanische Krone
eingeschmolzen wurde. Einige Kilometer ausserhalb in den Bergen befindet sich
eine bekannte Kirche
"el cobre", zu deutsch Kupfer. Der Name stammmt vom Kupferbergwerk
im selben Tal. Um dorthin zu gelangen nehmen wir ein Taxi, einen 53er Chevrolet
Bel Air. In einer Steigung auf halben Weg beginnt der Motor auf einmal zu stottern. "no
hay problema" beruhigt uns der farbige Chauffeur, steigt aus und bläst
den kurzerhand demontierten Benzinfilter aus. Wir haben Gelegenheit das Panorama
zu geniessen. Die Kirche steht auf einer Kuppe in einem idyllischen Talkessel.
Kein Wunder besuchte der Papst diese Gegend. In der Kirche steht, weil kurz
vor Weihnachten, eine Holzkrippe und für uns befremdlich, ein farbig
blinkender, elektronische Festmusik piepsender Plastiktannenbaum neben dem
Altar. Hier in den Bergen der Sierra Maestra begann die Revolution von Fidel
und Ché. Wir versuchen uns das auszumalen.
Auf dem Rückweg besuchen wir noch den eindrücklichen
Stadtfriedhof wo einige bekannte Kubaner begraben sind. Zum Beispiel José Marti
in einem pompösen Mausoleum. Ebenfalls in Santiago de Cuba hinter dem
Hauptplatz ist das bekannte Casa de la Trova. Täglich wird live musiziert
und Jedermann tanzt dazu. Grössen wie Brian Ferrer und Compai Segundo haben
hier regelmässig aufgespielt. Musik ist ein wichtiger Bestandteil im kubanischen
Leben. Kaum ein grösseres Lokal wo abends nicht gut ausgebildete Musikern
auftreten. Wir essen ausswärts zu Abend und erfahren eine weitere staatliche
Eigenheit. In privaten Restaurants sind maximal fünf Tische erlaubt.
Verkaufen dürfen sie nur Fisch, Huhn und Schweinefleisch. Rindfleisch und
andere Meeresfrüchte sind den Staatlichen Betrieben und dem Export vorbehalten.
Das finden wir bei durchschnittlich 1,5 Rindern pro Kopf leicht befremdend. Wer
illegal ein Rind schlachtet wird mit dreissig! Jahren Haft bestraft.
24. Dezember, mein Geburtstag. Beim Frühstück werde ich von Reni und Angelita mit einer Torte überrascht. Etwas Abwechslung zum zähen Guayabagelee. Der Kaffe ist wie üblich stark und bitter. In Kuba entspricht verbrannter Kaffee als geröstet. Während unseres Streifzuges durch die Stadt sticht uns eine Perle des Automobilbaus in rostrot ins Auge. Bei der Siesta auf dem Hauptplatz werde ich von einem bärtigen, zigarrenbestückten "Original" dazu aufgefordert gegen Entgelt ein Foto von ihm zu machen. Nur dumm dass ihm nicht aufgefallen ist, das ich turistenuntypisch gar keine Kamera um den Hals hängen habe. Dafür fällt uns auf, dass rund um den Platz eine ungewohnte Aktivität herrscht. Da wird gestrichen, geputzt, defekte Scheiben ausgetauscht und Beleuchtung montiert. Man erklärt uns das Fidel seine Neujahrsansprache zum vierzigjährigen Jubiläum der Revolution hier hält. Wir wollen aber vorher weiterreisen und hätten auch kaum einen Logenplatz erhalten. Schade! Zur Feier des Tages dinieren wir im teuersten Hotel am Platz und werden leider enttäuscht. Immerhin gibt es wieder einmal Pasta anstelle von Reis mit Bohnen, Tomaten und Gurken. Vor unserer Weiterreise sind wir noch bei einem Arzt eingeladen und tauschen uns aus. Wie ein Schwamm saugt er und seine Gemahlin unsere Auskünfte zum Leben in der Schweiz auf. Sein bescheidenes Haus in dessen Entrée wir sitzen konnte er sich nur Dank seiner Arbeit in Afrika leisten. Als ausgebildeter Mikrobiologe verdient er in Kuba gerade mal achtzehn Dollar pro Woche!
Der Fahrer der uns nach Trinidad bringen soll erscheint pünktlich
und so sind wir schon kurz nach dem Aufladen unterwegs. Die noch nicht
fertig erstellte Autobahn quer durch Kuba endet dreissig Kilometer nördlich
von Santiago. Aber das ist sicher nicht allein der Grund, dass die rechte Spur
mangels anderer Möglichkeiten gerne zum Trocknen von Reis, Bohnen oder Kaffee
genutzt wird. Ebenso ist mit regelmässig auftauchenden Hindernissen
wie Eselkarren zu rechnen. Unser Chauffeur weist uns im Falle einer Kontrolle
an, sich als Freunde seiner Familie auszugeben. Das liegt daran, das nicht lizenzierte
Taxifahrer beim Erwischt werden mit der Beschlagnahmung des Fahrzeugs und einer
Busse von tausend Dollar rechnen müssen.
Monokulturen aus Zuckerrohrfeldern und Rinderfarmen fliegen an uns vorbei bis wir
unseren ersten Halt in Camaguey nach dreihundert Kilometern einlegen. Der Fahrer überredet
uns einen Saft der aus einer Baumwurzel gewonnen wird zu trinken. Die lokale bräunliche
Spezialität in reziklierten, mit ebensolchen Kronkorken
verschlossenen Flaschen schmeckt wie gepresste Kartoffel! Wir überleben es
trotz Bedenken über Nebenwirkungen. Noch einmal zweihundert Kilometer mit
einer kurzen Pause, aber ohne Zwischenfall erreichen wir in der Abenddämmerung
den Ort Trinidad, überreichen das Fahrgeld von hundertzwanzig Dollar und
sind kurz darauf in einem "Weiberhaushalt" bestehend aus zwei Schwestern,
Mutter und Haushälterin einquartiert.
Das Dorf scheint im achtzehnten Jahrhundert stehen geblieben zu sein. Wäre
nicht die teilweise vorhandene kommunistische Architektur und Autos zu sehen fühlte
man sich in der Zeit zurückversetzt. Schön sind die ausgeprägte
koloniale Bauweise mit den holzvergitterten Fenstern und dem Kopfsteinpflaster in
allen Strassen. Das nahegelegene Valle de los Indigenos besuchen wir mit einem gemieteten
Moped. Das Tal wird dominiert von bis an den Horizont reichende Zuckerrohrplantagen.
Auf einer alten Finca besteigen wir einen dreissig Meter hohen steinernen Wachturm von
dem sich ein guter Ausblick über das Tal bietet. Unter uns breitet sich die Anlage
mit Herrschafts-, Dienst- und Sklavengebäuden aus. Mit der Glocke die heute am
Turmfuss liegt, wurde zur Hatz auf entflohene Sklaven gläutet und deren Fluchtweg
von hier oben verfolgt. Einige Kilometer entfernt dampft eine moderne Raffinerie für
Rohrzucker in den Himmel. Die romantische Abendstimmung über den Feldern tröstet,
steht aber irgendwie im Wiederspruch zum harten Leben in den Plantagen.
Die zehn Kilometer von Trinidad entfernten Kuste erreicht man nach Umfahren einer
Lagune. Wir geniessen einen Tag am makellosen Strand in der Nähe eines Hotelbunkers.
Vielleicht in unbewusster Vorahnung der Gewaltstour die uns am nächsten Tag
bevorsteht. Am Abend lernen wir noch wie Platanos zubereitet werden.
Kochbananen in eineinhalb Zentimeter breite Scheiben schneiden und in kochendes öl
geben. Wenn sie leicht goldfarbig werden abschöpfen, zwischen zwei kastagnettenartigen
Holzpformen plätten (einmal Flachklopfen) und fertig frittieren. Eine Art
lateinamerikanische Papas Fritas.
Durch die Beschreibung unserer Gastgeber neugierig gemacht, wollen wir zu einem
Wasserfall in den nahen Bergen fahren. Dies mit dem Fahrrad zu erledigen erntet
einstimmiges Kopfschütteln. Unser Ziel heisst Topes de Collantes. Zu Anfang
verläuft die geteerte Strasse leicht steigend der Küste entlang und schwenkt
dann rechts in die Berge. Drei Stunden und einige Hügelzüge, die wir
teilweise schiebend hinter uns bringen, später wähnen wir uns schon
nahe dem Ziel. Das Panorama ist atemberaubend, die Anstrengung ebenso. Renis
Hinterreifen ist durch einen Stachel platt, Flickzeug ist vorhanden, aber die
Pumpe irgendwo früher verloren gegangen. Glücklicherweise
ist das Velo in Kuba das Volksfahrzeug schlechthin und ich werde einige Schritte
neben der Strasse in einem armseligen Gehöft fündig. Auf zum Wasserfall!
Eine weitere Stunde und weitere unzählige Hügel später steht Reni
ein Anflug von Verzweiflung in das durch die Mittagshitze schweissnasse Gesicht
geschrieben. Aufgeben will sie aber nicht, also aufwärts.
Nach einer halbe Stunde können wir endlich unsere Fahrräder
bei einem Restaurant anketten. Die Kühle hier oben tut gut. Nur ein Gedanke
macht mir Sorgen; Kein Wasserfall fällt vom Himmel, wo also ist er zu finden?
Freundliche Leute zeigen uns den Weg. Ein Abstieg von zwanzig Minuten in den Dschungel!
Unten angelangt wird unsere Anstrengung in keiner Weise belohnt. Die mickrige Kaskade
lädt mit dem durch vorangegangene Regenfälle braunen Wasser nicht einmal
zum Baden ein. Auch die fortgeschrittene Tageszeit drängt zur Umkehr. Welch
ein Genuss bietet die Abfahrt nach Trinidad! Unglaubliche schnelle eineinhalb Stunden
nach dem Besteigen der Velos können wir den Frauen über unsere Leiden
berichten.
Zur Neujahrsfeier, die mit dem vierzigjährigen Jubiläum der Revolution
zusammenfällt, sind wir bei der Cusine unserer Vermieterin eingeladen. Deren
Ehemann fährt einen von drei in Trinidad noch verkehrenden uralten Ford
Modell-T. Bei uns sind diese Fahrzeuge im Museum zu besichtigen. Wie schon einige
Tage angedroht muss ich mich als passionierter Nichttänzer heute einem
Schnellkursus in Merengue mit der Haushaltshilfe stellen. Einige Biere senken
die Hemmschwelle und meine Tanzpartnerin kommt auch noch mit heilen Füssen
davon. Nach dem Festessen mit den üblichen Zutaten trinken und tanzen
"wir" bis nach Mitternacht.
Eigentlich planen wir am ersten Januar auf die Isla de la Juventud weiter zu fahren,
aber als ich nach einer Stunde warten bei unserem Chauffeur vorbeischaue tritt
dieser Speisereste aus den Zähnen klaubend in den Türrahmen. Ich
verstehe eine gewisse Feiertagsstimmung und wir verschieben das Weiterkommen auf
Morgen. Wir stehen um Acht Uhr bereit und wieder erscheint lange niemand. Also
organisieren wir einen anderen Fahrer. Beim Beladen des Lada taucht doch noch der
zuerst Aufgebotene auf. Mein schon recht passables Spanisch muss ich gar nicht
gross bemühen, da mein Gesicht die Rage deutlicher zum Ausdruck bringt und
ihn unverrichteter Dinge stehen lässt.
überland bis Santa Clara, dann nehmen wir die Autobahn und kommen zügig
voran. Für die Leute die am Rand mit Pesonoten um eine Mitfahrgelegenheit mit
winken haben wir leider kein Platz. Wir sind froh, dass die zweihundert Kilometer
bis zum Verlassen der Autobahn schnell erledigt sind. Uns ist trotz Nachfrage noch
völlig unklar wann und ob überhaupt eine Fähre zur Insel verkehrt.
Mitten in der Zuckkerrohreinöde erwischt uns ein platter Reifen. Totz des
Zeitverlustes pflichte ich unserem Fahrer, beim Anblick der durchscheinenden Karkasse
am Ersatzrad besser das Ausgetauschte reparieren zu lassen, bei. Beim nächsten
"Tailler" prügelt ein Mechaniker mit Hammer und Flacheisen den Pneu
von der Felge. Der Schlauch wird mit einem ebensolchen Stück, Leim und einer
mit Bügeleisen bewehrten Presse geflickt. Immerhin erfahren wir, das die
Fähre im zwanzig Kilometer entfernten Batabano in einer Stunde ausläuft.
Dort angekommen verabschieden wir uns von den Begleitern und besteigen als letzte
Passagiere das klapprige turbinenbetriebene Tragflächenboot russischer Herkunft.
Taub vom Motorenlärm werden wir beim Verlassen des Ankunftsgebäudes
von einigen Wartenden beschwatz in ihrer Unterkunft zu logieren. Wir tätigen
einen Glücksgriff und bekommen für zehn Dollar im Hauptort Nueva Gerona ein
Dreizimmerapartment mit netten Vermietern.
Mit der achtzigjährigen Grossmutter schaue ich mir die erste Hälfte von
Fidels siebenstündiger Neujahrsrede im Fernsehen an, widme mich aber durch
seine langatmige Art gelangweilt eine Stunde später wieder Reni. Sie liegt
mit Fieber im Bett. Das Fernsehen scheint wie alles hier in den siebziger Jahren
stehen gebleiben zu sein. So unterhalten wir uns lieber mit der Grossmutter, die
durch ihr Alter eine differenzierte Meinung zum herrschenden Regime hat, schliesslich
kennt noch die Zeit vor Fidel. Durch ihren Hinweis besuchen wir das ehemalige Gefängnis,
das in den Vierzigerjahren alle Verbrecher und Staatsfeinde in Kuba beherbergte.
Auch Fidel und seine Gefolgschaft nach missglücktem ersten Putschversuch
und vor seinem Exil in Mexiko. Die gebaute Grösse der Anlage erschlägt einen
mit ihrer Dimension, dabei wurde sie nie fertig gestellt. Das hätte Platz
für zehntausend Insassen bedeutet. Einen Trakt für tausend Gefangene
ohne Zellentüren konnten zwei bewaffnete Wächter einfach vom
unterirdisch erreichbaren Turm aus kontrollieren. Auf ungehorsame wurde ohne
zu zögern geschossen.
Mit einem Mietauto und obligatem Führer ausgestattet fahren wir in militärisches
Sperrgelände um vorkoloniale Höhlenmalereien am Punta del Este zu besichtigen.
Die im sozialistischen Grössenwahn gebaute Autobahn mit Schlaglöchern
durchsetze Piste unseren Rücken. Die frei zugängliche, ehemals direkt
an einem kilometerlangen Strand liegende Höhle ist eindrücklich. Erich
von Däniken hätte einiges in die mit geometrischen Figuren geschmückte
Decke hinein zu interpretieren. Weiter westlich an der Südküste
besichtigen wir noch eine Zucht für bedrohte Schildkrötenarten. Beim
Ausspannen an der klippendursetzen Küste in der Nachmittagssonne leistet uns
ein mit altem Autositz bewaffneter Herr Gesellschaft.
Auf der Insel regelmässig anzutreffen sind die abgewirtschafteten
Studentenheime die auch junge Menschen aus komunistischen Partnerstaaten beherrbergt.
Der Idee der Gleichstellung entsprechend arbeiten die Studenten den halben Tag in den
Plantagen aller Art und widmen sich die andere Tageshälfte dem Studium. So soll
keiner den Bezug zur Arbeitenden Basis verlieren. irgendwie kein schlechter Gedanke.
Die Rückkehr zum Festland verzögert sich leicht. Zwar verlässt das gut
dreissigjährige Tragflächenboot den Hafen, tuckert aber ziemlich träge
weit auf das Meer hinaus. Irgendwann wendet es, und der Kapitän versucht nun
scheinbar einen Testlauf Richtung Hafen. Wiederwillig nimmt auch die zweite Turbine
den Betrieb auf. Wir wenden im Hafen zurück, aber jetzt ist mehr als ein Anlauf
nötig bis die der Antrieb sauber lauft und sich das Gefährt aus dem Wasser
erhebt. Während der einstündigen Fahrt unterhalte ich mich mit dem
Kapitän der Autofähre die wegen Ersatzteilmangel seit einem halben Jahr
im Dock liegt und nicht so schnell wieder einsatzfähig sein wird.
Leider verkehren keine Busse direkt vom Hafen nach Pinar del Rio und so ist ein
Umweg über Havanna unausweichlich. Von dort aus bringt uns ein offizielles
Taxi nach Pinar. Wie bisher üblich kommen wir durch Mund zu Mund Propaganda
zu einer Wohnung im Zentrum für zwanzig Dollar Tagesmiete. Die Einrichtung
ist in Ordnung, nur die Handhabung der Dusche erfordert eine überlegte Vorgehensweise.
Die Warmwasseraufbereitung erfolgt über ein durch das Duschrohr geführtes
Elektrokabel. Das heisst: Wasser aufdrehen, Schalter betätigen wodurch eine
Birne die als Sicherung fungiert brennt, Warmwasser fliesst. Es funktioniert
tatsächlich.
Hier im Lande des Tabaks wird einem auf Schritt und Tritt in
Exhibitionistenmanier unter kurz aufgerissener Kleidung Fälschungen
renommierter Zigarrenmarken als echt angepriesen. Wir wollen zuerst einmal eine
Manufaktur vor Ort besichtigen. Auch wenn das Klischee von Frauen die auf ihren
nackten Schenkeln Zigarren unter Lesung von Literatur rollen enttäuscht
wird, raucht immerhin eine Sortiererin der Deckblätter selbst Puros.
Wegen den Ferien ist die Hälfte der Belegschaft abwesend und wir bezahlen
auch nur die halbe Besuchsgebühr. Schlechter trifft es die zwei Reisebusse
voller Turisten die nach uns eintreffen und welche gar nichts mehr von der
Fabrikation sehen. Samstags ist um zwölf Feierabend und die Angestellten
vergnügen sich zur Musik eines Salsatrios. Der Anblick von Unmengen von
Montechristo in der Presse lässt sicher das Herz eines jeden Afficionado
höher schlagen.
Das aufgeräumte Erscheinungsbild Pinar del Rios ist auf den Turisten
zugeschnitten, vermag uns aber nicht mehr komplett zu blenden. Ein Schwelgen im
Mix zwischen kolonialer Romantik und den Fünfzigerjahren
ist manchmal trotzdem nicht immer zu verhindern. Landschaftlich unterscheidet sich
die Gegend um einiges vom Süden. Das Klima ist etwas feuchter und kühler
als zum Beispiel in Santiago. Ein Phänomen der komunistischen Verwaltung ist
die kaum vorhandene Logistik. Hier wachsen alle Art von Gemüse, der grösste
Teil ist im Süden nicht zu bekommen. Umgekehrt verhält es sich mit tropischen
Früchten von denen hier nur Bananen anzutreffen sind. Das ist bei vierhundert
Kilometer Transportdistanz auf der Autobahn schwer nachzuvollziehen. Ein Einfluss
hat sicher auch ein gewisser Treibstoffmangel, und die Planwirtschaft. Dieser muss
sich jedermann beugen , wenn die Zuckerrohrernte im Gange ist. Wer aufgeboten wird
hat auch bei anderweitiger Beschäftigung Folge zu leisten und zum Dienst mit
der Machete für den Staat anzutreten.
Die Region ist geprägt von Tabakfeldern, durchsetzt mit gemüsebepflanzten
Flächen. Vom Geld was die Regierung für eine Zigarre verlangt scheint nicht
viel an der Basis anzukommen. So faszinierend archaisch das Bild vom Bauer der auf
dem von Ochsen gezogenen Fass ist, halten wir uns seine Armut vor Augen. Einen Wagen
besitzt er nicht. Sein Trinkwasser, das er an der Haupttrasse gekauft hat, schleift
das Gespann auf einem ausgediehnten Lastwagenreifen über den langen staubigen
Pfad zur Holzhütte. Von den Leuten, die einen neuen Verschlag
um Tabak zu trocknen bauen erfahren wir mehr über dessen Anbau und Pflege.
Ins Herz des weltbesten Tabakanbaugebietes wollen wir mit dem Fahrrad gelangen.
Das über zwanzig Kilometer entfernte Valle de Vinales liegt hinter einer kleinen
Hügelkette. Die Bewältigung der Höhe und Distanz ist für
uns nach ferienbedingtem, ausgiebigem Training kein Problem mehr. Besonders geniessen
wir das ungestörte Fahren auf der Hauptstrasse. Kaum ein Motorfahrzeug überholt
uns. Selten knattert ein Motorrad der ostdeutschen Marke MZ an uns vorbei oder wir
treffen Einheimische auf ihren Drahteseln. Bei der Abfahrt nach dn Hügeln
wird die einzigartige Sicht auf das Tal frei. Wenn man genau hinsieht ist es
eigentlich kein Tal, sondern eine von Kalsteinkuppen durchbrochene Ebene. Diese
Kalksteinformationen heissen Mogotes. Im Kontrast zum fahlen Weiss der Felsen
steht die durch Erze ockerrot gefärbte, fruchtbare Scholle die in der ganzen
Gegend bebaut wird.
Wir verlassen Pinar nicht ohne drei Kistchen Zigarren zu kaufen. Schliesslich
reisen wir kaum bald wieder in die Traumgegend eines jeden Liebhabers von Puros.
Unser erneut illegales Taxi fährt pünktlich vor. Die beiden jungen Fahrer
scheinen uns zuerst etwas suspekt, das Gefühl legt sich aber bald. Im Gegenteil.
Vor lauter Angst von der Staatsmacht erwischt zu werden kurven sie endlos auf Nebenstrassen
zum Hafen an der Nordküste von wo uns ein Boot zu einem Inselchen bringen
soll. Wir haben zwar Geld gespart, dafür aber die erste überfahrtsmöglichkeit
verpasst. Also warten wir zwei Stunden bis zum Anbruch der Dämmerung und besteigen
dann endlich die erscheinende Barke. Am folgenden Morgen realisieren wir erst,
wo wir sind. Wir haben es doch noch geschafft in einem Turistengetto zu landen.
Das kümmert uns aber nicht, weil dies grösstenteils selbst gewählt
ist. In der verbleibenden Woche auf Kuba wollen wir noch drei Tage dekadent überteuert
dem Nichtstun fröhnen.
Unter Cayos versteht man in Kuba dem Festland vorgelagerte Inseln verschiedener
Grösse. Unsere ist vielleicht fünfhundert Meter lang und fünfzig
Meter breit. Das Bugalow steht jedem Klischee entsprechend zehn Meter vom
weissen Strand entfernt. Ausser den Angestellten der Siedlung sind keine
Einheimischen auszumachen. Uns drängt sich der Gedanke an Varadero im Kleinformat
auf. Beim Frühstück im Speisesaal spielt sich zu unserer Belustigung
folgende Szene ab. Aus Erfahrung der Standartausrüstung kubanischen
Frühstücks rücken wir mit Honig und Nesquik bewaffnet an. Zwei
kurz darauf gestikuliernd ihre Bestellung aufgebende Paare scheinen von der
Auswahl der Speisekarte leicht enttäuscht und zeigen auf unseren Tisch.
Der Kellner muss sie enttäuschen. "No hay!" "Honig und Nesquik
hat es nicht! " ist seine Antwort. Wir geben den Franzosen vom Mitgebrachten
amüsiert ab.
Um auf dem Eiland nicht ganz einzurosten, bietet sich mir ein erster und mein
bisher einziger Fahrversuch mit einem Windsurfboard
an. Nach einigem Probieren gelingt es mir aus dem seichten Wasser aufzusteigen
und zu segeln. Der böhige Wind stört aber beträchtlich, und ohne
recht Fahrt zu gewinnen macht es keinen Spass. Als ich es später am Tag noch
einmal versuchen will, bemerke ich das kein Boot vorhanden ist. Beim permanent
ablandigen Wind und meinen Kentnissen möchte ich nicht auf dem Atlantik treibend
enden und lasse es bleiben. Diesen Abend möchte ich zum ersten Mal
nach neun Jahren Abstinenz wieder rauchen und packe eine Zigarre aus. Noch habe
ich grossen Respekt vor dem Anglimmen der Vegas Robaina und dadurch
rückfällig zu werden. Zu meiner Beruhigung werde ich weder grün
im Gesicht, noch rauche heute ich wieder Zigaretten. Dafür mit Genuss bei
Gelegenheit eine Zigarre.
Den letzten Tag nützen wir im nahen Riff um mit dem Schnorchel zu tauchen.
Was uns nur teilweise gelingt. Will heissen: Während ich auf und ab unterwegs
bin, schafft es Reni trotz mehreren Anläufen leider nicht bis nach unten.
Auf dem Boot zurück wird eifrig Alkohol ausgeschenkt. Uns ist nicht danach
zumute. Die Differenz vom Wellengang im Wasser zum Rollen des Schiffes verursacht
eine leichte Übelkeit und wir sind froh bald festen Boden unter den Füssen
zu haben. Da mir noch die ultimativen Sonnenuntergangsfotos fehlen radle ich vor
der Dämmerung den Sandstrand entlang Richtung Osten. Die Wartezeit bis zum
richtigen Zeitpunkt erschweren mir die Sandfliegen. Den Stichen im Sand
ausgeliefert ist das Warten unmöglich und so stehe ich bis zu den Knien im
Wasser um immerhin für meine Geduld mit einem gelungenen belohnt zu werden.
Diesmal ganz legal mit offiziellem Taxi gelangen wir zurück in die Hauptstadt des Inselstaates. Um vollends dem Luxus zu fröhnen lassen wir uns im altehrwürdigen Hotel Nacional nieder. Einem dominant über dem Malecon, der Küstenpromenade Havannas, auf einer Klippe tronenden Bau aus den zwanziger Jahren. In Hufeisenform sich dem Meer öffnend wurde das Gebäude von der die damalige Regierung korrumpierenden Mafia erstellt. Obwohl heute nicht mehr Glücksspiel und änliche westlich-dekadente Lebensfreuden genossen werden, hat sich eines sicher nicht verändert. Das nun staatliche Hotel beherbergt nach wie vor eine besser situierte Klinentel. Unser der Stadt zugewandtes Zimmer kostet hundertsechzig Dollar.
Den Blick für kubanische Eigenheiten geschärft erfahren wir die Stadt mit unsren Fahrrädern in anderer Weise als beim ersten Mal. Havanna ist bis auf turistisch relevante Orte im totalen Zerfall begriffen. Der von weitem romantisch scheinende Malecon sieht näher betrachtet eher wie eine kriegsgeschädigte Fassade mit Meerblick aus. Nur wenige Häuser werden gepflegt und machen einen vertrauenswürdigen Eindruck. Immer noch prostituieren sich junge Kubanerinnen auf der Mauer sitzend oder der allgegenwärtigen Polizei wegen sprechen einen ihre Zuhälter an. Gerade die alle paar Häuserblocks stehende Polizei spiegelt dem Turisten ein falsches Bild vor. Sicher dient das der Sicherheit, aber ebenso lässt sich das Volk "unauffällig" permanent unter Kontrolle halten! Ohne die den Leuten eigene Gelassenheit ist die dauernde Repression sicher nicht zu ertragen. Vieleicht ist ein Zeichen dieser Eigenschaft die Geduld mit der stundenlang der Volkssport Domino betrieben wird. Am Platz vor dem Capitolio studieren wir das Treiben. Ordentlich in Reih und Glied marschieren Schüler mit dem Schulalter sich unterscheidenden Uniformen zum Staatskundeunterricht vorbei. Neben den vorwiegend amerikanischen Autos warten die Leute in Einerreihe auf einen rosa Bus. Die den Linien entsprechend farbigen Auflieger, die Dromedarios, wirken auf uns eher wie Viehtransporter. Wir kurven weiter durch die Quartiere und riskieren immer wieder einen Blick in die Hinterhöfe. Meist sehen wir das selbe Bild von notdürftig zusammengehaltener in dem nicht wenige Personen den beschränkten Wohnraum teilen.
Um der Grossstadthektik ein wenig zu entfliehen wollen wir am nächsten Tag an die Playas del Este. Zuerst stärken wir uns aber noch am Frühstücksbuffet. Unglaublich was hier für zahlende Kunden alles aufgetrieben wird. Es mangelt an nichts. Was mögen die für einige Dollars arbeitenden Angestellten über die im Überfluss schwelgenden Gäste denken. Ich hoffe, dass die schon durch ihre Stelle im Hotel privilegierten Bediensteten wenigstens auch davon profitieren können. Durch den die Hafeneinfahrt unterquerenden Tunnel erreichen wir den kilometerlangen Sandstrand. Hier östlich von Havanna befindet sich das Naherholungsgebiet der Hauptstadt. Auf eine Besichtigung der ehemaligen Finca von Ernest Hemingway in dieser Gegend verzichten wir ebenso wie auf die durch ihn bekannt gewordene Bodeguita del Medio in Havanna. Wir lassen uns an einem zufällig gewählten Strandabschnitt nieder und beobachten das rege Teiben der meist einheimischen Badegäste. Irgendwann werden wir gewahr das wir uns im Tummelplatz einiger sexuell anders orientierten Menschen befinden. Genauso wie Turisten die sich einheimische Frauen mieten, können offensichtlich Homosexuelle nicht in offiziellen Hotels logieren sondern müssen auf private Unterkünfte ausweichen. Davon sind hier genügend vorhanden. Wir geniessen den vielleicht deshalb ruhigeren Strand und werden pünktlich gegen Abend von unserem Taxi abgeholt.
Den letzten Tag in Kuba müssen wir zuerst unsere Fahrräder reisefertig machen. Eigentlich wollten wir sie hier lassen, doch die gemeinsamen Erlebnisse vereitlen diesen Plan. Was wir nicht mehr benötigen verschenken wir an die Hotelangestellen. Die den Transport störenden Pedalen dem Parkplatzwächter. Nesquik. Honig und Schuhe dem Zimmermädchen. Davon überrascht fällt sie mir und Reni vor lauter Freude um den Hals. Zu Fuss schlendern wir durch die uns nun vertrauten Gassen nach Habana Vieja. Ein Blick in eine Apotheke begründet wieso das einige mit uns in Kuba gelandeten Fluggäste taschenweise Medikamente mitführten. Ausser den an homöopatische Heilmittel erinnernde Flaschen sind keine Arzneimittel zu sehen. In Althavanna angelangt widmet sich Reni ihrer Lieblingsbeschäftigung am letzten Reisetag. Bei einem Mojito findet sie Gesellschaft zum Schreiben der Ansichtskarten. Am Nachmittag besichtigen wir die Festung an der Hafenmündung, vom Volk El Morro gennant. In der Abenddämmerung zeigt sich der gegenüberliegende Malecon von seiner romantischen Seite. Zuletzt steigen wir in den Leuchtturm und unterhalten uns mit dem Wärter. Angesichts der Dämmerung meint er, es sei zwar noch nicht sieben Uhr, aber Reni könne das Drehlicht in Betrieb nehmen. Diese Ehre kann man nicht auschlagen! Gespannt legt sie den Schalter um, der das hundertzwanzigjährige zweckentfremdete Uhrwerk aus französischer Fabrikation in Betrieb nimmt.
Die Wartehalle im Flughafen wird zu unserer letzten kommunistischen Geduldsprobe. Durch Leitkordeln gebändigt stehen die Flugpassagiere schlangenförmig aufgereiht zum Einchecken an. Das hat den Effekt, das zwischen Wartestelle bis zum letzten Schalter dreissig Meter Distanz liegen und der Weg dorthin Zeit kostet. Ich stelle mich auf ein langes Anstehen ein. Reni hat eine Idee und drängt mich zum leeren Schalter der Business-Class. Hier fragt sie unschuldig ob wir richtig seien um mit Fahrrädern einzuchecken. Der Angestellte nickt anerkennend, will aber noch einmal in unseren Reisepässen überprüfen ob die Ausreisegebühren auch entrichtet sind. Wir verstehen und legen diese unauffällig bei. Meine erste Schmiergeldzahlung! Unter argwöhnischen Blicken geschniegelter Geschäftsreisenden schieben wir unsere Fahrräder über die Waage. Zwar haben wir das Anstehen vermieden, das verkürzt uns leider die Wartezeit nicht weil alle anderen weiter in der Reihe anstehen. In dem bis auf die Fluggäste mitternächtlich menschenleeren Dock gibt es nichts zu kaufen und wir sind froh als der Flug mit einer Stunde Verspätung freigegben wird.